Politische Epochenwechsel machen sich meist dadurch bemerkbar, dass grundlegende Veränderun-gen ab einem vorher nicht abschätzbaren Zeitpunkt nicht mehr nur von Splittergruppen und vereinzelten Idealisten gefordert werden, sondern sich Stück für Stück erst das Kleinbürgertum und dann die Mittelschicht dem politischen Gärprozess anschließt.
Als letztes schwenken in der Regel die etablierten Intellektuellen, Literaten, Kultur- und Medien-schaffenden auf den neuen Zeitgeist um und spätestens dann wird das Eis für das Establishment gefährlich dünn, das zwar wie bisher gegen Abweichler kräftig ausschlägt, aber mit abnehmender Kraft.
Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.
Was die politische Zeitenwende angeht, am deutlichsten verkörpert durch AfD, Pegida und die erstarkenden Freien Medien, so ist der Grundstein für eine Revolution von rechts bereits gelegt – Merkels staatsmännische „Qualitäten“ bestanden vor allem darin, die Politik der Umvolkung offen sichtbar zu machen, eine neue Volkspartei rechts der CDU entstehen zu lassen – seit der „Gauleiter Kreis“ in der FDP und die nicht unerheblichen Erfolge der Fundamentalopposition der Sozialistischen Reichspartei , welche 1951 verboten wurde, wohl der größte innenpolitische Gau der herrschenden Klasse – und dadurch eine wachsenden Zahl von Bürgern in Fundamentalopposition zum System gebracht zu haben, auch und gerade im Westen der Republik. Das weltweite Netz lässt die Meinungshoheit des Systemjournalismus (Jan Fleischhauer) buchstäblich zerbröseln und die ungelösten Probleme in Sachen Masseneinwanderung raumfremder Menschen, die Auflösung der bewährten Nationalstaaten in undurchsichtige überstaatliche Gebilde und die kalte Enteignung der Mittelschicht durch Globalisierung und Geldpolitik lässt erahnen, dass die Rechte stetig an Raum gewinnen wird.
Wir sind das Volk, wir sind Deutschland – Ihr seid BRD, dämmert es in immer mehr Köpfen.
Jetzt hat sich mit Uwe Tellkamp ein weiterer namhafter Autor aus dem politisch-korrekten Käfig gewagt und dafür die zu erwartenden Prügel kassiert. Vorausgegangen war eine Diskussionsveranstaltung im Dresdner Kulturpalast, auf der sich Tellkamp und der Dichter Durs Grünbein einen verbalen Schlagabtausch zur Einwanderungspolitik und Meinungsfreiheit lieferten.
Tellkamp hatte dabei vor einer „Gesinnungsdiktatur“ gewarnt und beklagt, dass in Deutschland die Meinungsfreiheit ausgehöhlt werde. Darüber hinaus sprach er Klartext über den anhaltenden Ansturm auf die löchrige europäische Wohlstandsfestung: „Die meisten fliehen nicht vor Krieg und Verfolgung, sondern kommen her, um in die Sozialsysteme einzuwandern, über 95 Prozent.“
Zudem sei die widerrechtliche Grenzöffnung durch Angela Merkel und ihre Paladine am Bundestag vorbei erfolgt, während die Medien in der politischen Auseinandersetzung mit zweierlei Maß messen würden.
Grund genug für den Suhrkamp-Verlag, sich von seinem Erfolgsautor zu distanzieren, als habe dieser wirres Zeug geäußert. Am Freitag stellte der Frankfurter Verlag unter dem hashtag #Tellkamp auf Twitter klar: „Aus gegebenem Anlass: Die Haltung, die in Äußerungen von Autoren des Hauses zum Ausdruck kommt, ist nicht mit der des Verlags zu verwechseln.“ Ein Armutszeugnis für die Freiheit der Rede und der Kunst.
Tellkamp hatte bereits zuvor klare Kante für die Meinungsfreiheit und das offene Wort gezeigt. Nach den skandalösen Vorfällen auf der Frankfurter Buchmesse gehörte er zu den Erstunterzeichnern der vom Dresdner Buchhaus Loschwitz initiierten „Charta 2017“, die vor einer heraufziehenden „Meinungsdiktatur“ warnte.
Dabei mag auch Tellkamps DDR-Prägung eine Rolle gespielt haben. In seinem Roman „Der Turm“ (2008) arbeitete er die letzten Jahre der DDR von 1982 bis 1989 im bürgerlichen Dresdner Milieu auf und erhielt dafür den Deutschen Buchpreis und weitere Auszeichnungen. ARD und ZDF verfilmten den Roman 2012 in einem Zweiteiler, der ebenfalls mehrfach preisgekrönt wurde.
Das Werk wurde auch auf die Bühne gebracht.
Zuvor sorgte er bereits mit dem Roman „Der Eisvogel“ für Furore. Tellkamp skizzierte hier eine rechts-elitäre und revolutionäre Bewegung mit Namen „Wiedergeburt“ mitsamt angegliederter Terrororganisation, der sich der Held der Geschichte anschließt, um die öde Konsensdemokratie, das laue Mittelmaß, die Verkommenheit der Sitten hinwegzufegen und eine Art Kastengesellschaft von Geistesaristokraten zu errichten wie der Deutschlandfunk das Werk beschrieb. Die Rezension schloss damals begeistert und in gewissem Maß prophetisch: „Der Eisvogel“ ist eine Mixtur aus Politik-Wut und Melodram. Tellkamp wittert etwas, was in der Luft liegt.
Ja, es liegt was in der Luft und neben u.a. Botho Strauß, Akif Pirincci und Thor Kunkel hat nun eine weitere Kulturgröße eindeutig Stellung bezogen und damit dafür gesorgt, dass dieses „etwas“ täglich mehr Konturen annimmt.
Übrigens, trotz der „Abmahnung“ des Suhrkamp-Verlages geht die geschäftliche Zusammenarbeit weiter zwischen Verlag und Autor – auch das ein Beleg dafür, wie sehr der Wind gedreht hat.