Selbstverwirklichung kontra Pflicht ?
Wir verwendeten in diesem Text mehrfach Begriffe wie „Selbstverwirklichung“ oder „Selbstentfaltung“, dies mag bei einigen Lesern verständlicherweise für Verwunderung gesorgt haben. Beide Begriffe sind heute untrennbar mit dem Ich-Kult der degenerierten BRD-Gesellschaft verbunden, es ist daher nur allzu verständlich, wenn man diesen Begriffen mit nichts anderem, als purer Verachtung begegnet. Warum haben wir sie dann verwendet?
Zum einen Beschreiben sie genau das, was wir meinten, die Entfaltung des Individuums nach seinen Lebensvorstellungen. Zum anderen sind wir der Meinung, das Selbstverwirklichung und Pflicht oder Gehorsam sich nicht gegenseitig ausschließen, im Grunde sogar, so wie wir sie als Deutsche verstehen, miteinander verbunden sind. Erst im Kontext der Antikultur der Moderne wurden diese Begriffe zu Gegenpolen und die Idee der Selbstverwirklichung zu etwas Negativem.
Wir müssen uns ins Gedächtnis rufen, dass die alten germanischen Ideale von Gehorsam, Gefolgschaft und Pflicht in keinster Weise etwas mit Kadavergehorsam oder sklavischer Unterwürfigkeit zu tun haben. Der Schwur der Gefolgschaft und das damit verbundene Versprechen des Gehorsams erfolgten immer freiwillig. Das Gleiche gilt für die zahllosen militärischen und paramilitärischen Einheiten, die ihre Kämpfer aus Freiwilligen rekrutierten. Ganz gleich, ob es sich um Ritterorden, Freikorps oder Ähnlichem handelt, ihre Mitglieder unterwarfen sich freiwillig den harten Pflichten, welche diese Gruppierungen ihnen auferlegten. Sie wählten diesen Weg nicht, weil das Gesetz es vorschrieb oder sie keine andere Wahl hatten, sondern weil ihr inneres Wesen sie dazu trieb.
Wir wollen damit natürlich nicht sagen, dass Pflichten nur auf diese Weise einem Menschen auferlegt werden können. So steht es beispielsweise außer Frage, dass es die Pflicht jedes wehrfähigen Mannes ist, im Notfall die Heimat mit seinem Leben zu verteidigen.
Von derartigen Extremfällen einmal abgesehen, sollte man jedoch nicht vergessen dass, obwohl die Moderne das Ideal der Freiheit vergewaltigt und bis zu Unkenntlichkeit entstellt hat, es schon immer einen hohen Stellenwert im deutschen Wesen hatte und auch wieder haben sollte.
Was den Begriff der Selbstverwirklichung im Zusammenhang mit diesem Text betrifft, sei gesagt, dass das Aufsehen, welches man heute um ihn macht, pure Schaumschlägerei und PR ist. Die Idee, dass eine Person ihren Beruf anhand ihrer eigenen Vorlieben wählen kann, ist heute nun wirklich kein revolutionärer Gedanke mehr und eigentlich, aus gutem Grund, eine Selbstverständlichkeit. Wer mit Literatur aus den Bereichen des Qualitätsmanagements oder Unternehmensführung vertraut ist, weiß, dass motivierte Mitarbeiter, die ihre Arbeit gerne erledigen, mit nichts zu ersetzen sind und das nichts, auch kein Geld, einen Mitarbeiter so motiviert, wie eine persönliche Bindung zu seiner Tätigkeit. Wie wir schon erwähnten, liegt hierin der Unterschied zwischen Arbeit und Beruf.
Da jeder Mensch anders ist und nur er selbst wirklich in der Lage ist zu erkennen, was seine Berufung sein könnte, muss die Wahl bei der Person selbst liegen.
Als Beispiel, dass die Konsequenzen aus dieser Wahl auch der Gemeinschaft dienen können, lässt sich anhand unsere eigene Bewegung feststellen. Auch in ihr kommen Menschen mit unterschiedlichen Interessen, Charakteren und Fähigkeiten zusammen und wählen anhand dieser Dinge ein Betätigungsfeld, das am besten zu ihnen passt. Wer vor Menschen reden kann, wird Redner, wer Zeichnen kann Grafiker und so weiter. Im Grunde trafen sie die Wahl aus, man könnte überspitzt sagen, egoistischen Gründen, denn sie fragten sich „was kann ich?“ und „was will ich tun?“. Da die Wahl, ganz gleich wie sie auffällt, der Gemeinschaft zugutekommt, besteht darin kein Problem.
In diesem Sinne bedeutet Selbstverwirklichung für uns, die Freiheit des Individuums seine Aufgabe in der Gemeinschaft den eigenen Veranlagungen entsprechend zu wählen. In diesem Kontext wächst der Dienst an der Gemeinschaft über niedere Sklavenarbeit hinaus und wird zu dem sinnstiftenden, den Menschen voll und ganz ausfüllenden, Bewusstsein, um die eigene Pflicht, deren Erfüllung den Menschen mit Stolz und innerem Glück erfüllt, wie es nur die wahrhaft Glücklichen kennen.
Teil 9 folgt …