Drei kritische Fragestellungen
Wir erwähnten drei Fragen, die sich im Zusammenhang mit einer selektiven Automatisierung ergeben. Die erste dieser betrifft diejenigen, deren angeborene Fähigkeiten es ihnen nicht erlauben, sich der Perfektion eines Berufes zu verschreiben. In solchen Fällen wird die einzige Möglichkeit, diese Menschen zu beschäftigen, darin liegen, ihnen eine einfache Aufgabe mit gesellschaftlicher Bedeutung, wie das Pflegen von Parkanlagen, zu geben, um auch ihnen ein Maß an Anerkennung und das Gefühl gebraucht zu werden, zu vermitteln. Alternativ zu Aufgaben im „öffentlichen Bereich“ wären aber auch einfache Hilfsarbeiten in Unternehmen denkbar.
Die zweite Frage ist die der Entlohnung. Diese Frage mag den einen oder anderen überraschen, denn wenn alles Wichtige ohne großes menschliches Zutun produziert wird, könnte man diese Güter ja auch einfach kostenlos verteilen. Ein anderer, ähnlich undurchdachter, Vorschlag könnte sein, jedem für seine Tätigkeit eine Art Grundeinkommen zu zahlen, wofür er sich dann, wie gehabt, das kaufen kann, was er benötigt. Einmal davon abgesehen, dass beide Antworten gegen einige unserer weltanschaulichen Fundamente verstoßen, sind diese auch aufgrund einiger praktischer Punkte nicht zufriedenstellend.
Zuallererst müssen wir davon ausgehen, dass es auch in der Zukunft einige Arbeiten geben wird, die nur ein Mensch erledigen kann, die jedoch aus diesen oder jenen Gründen nicht besonders angenehm oder sogar gefährlich sind. Da diese Arbeiten selbstverständlich erledigt werden müssen, muss auch hier ein Anreiz geschaffen werden, sie auszuüben.
Weiterhin würde in einer solchen flachen Einkommenshierarchie jegliche Form von Wettbewerb nur schwer umzusetzen sein, da ein wenig gesunder Wettstreit jedoch wichtig ist, um den Menschen auf Trab zu halten, zu fordern und ihn somit auch wachsen zu lassen, könnten Maßnahmen dieser Art zu einer Erschlaffung des Menschen führen. Da in einer Welt wie die, um die es hier geht, durch den materiellen Überfluss Degeneration und Dekadenz eine permanente Gefahr darstellen, braucht der Mensch etwas, um das er kämpfen kann und muss.
Damit einhergehend besteht die Problematik, dass ein solches System den Menschen nicht zur Eigeninitiative einlädt und eine „Dienst-nach-Plan“ Mentalität begünstigt, da es weder etwas zu verlieren, noch zu gewinnen gibt.
Eigeninitiative und Innovation sind besonders wichtig, wenn es darum geht, neue Unternehmen zu gründen bzw. bestehende zu führen, da diese im Allgemeinen privat geführt sein sollten. Eine vollständige staatliche Kontrolle der Wirtschaft ist nicht erstrebenswert, denn mangelnder Wettbewerb zwischen Unternehmen hat die gleichen negativen Auswirkungen auf diese, die er auch auf Menschen hat.
Wir werden später noch auf nicht-materielle Motivationsfaktoren eingehen, welche im Idealfall den primären Antrieb liefern. Materielle Bedürfnisse sind aber trotzdem ein wichtiger Anreiz zur Leistung, besonders für Menschen, denen höhere Ziele leider fremd sind.
Wir brauchen also immer noch eine gewisse Form des Wettbewerbes, nicht ganz unähnlich dem, den wir auch heute haben, nur eben den neuen Umständen angepasst. Die große Frage ist hier, welche Anpassungen nötig sind, um die oben erwähnte Entschleunigung zu erlauben, dabei aber gleichzeitig eine gewisse Spannung und Wettbewerb aufrechtzuerhalten.
Die erste Idee mag darin bestehen, die besondere Rolle der deindustrialisierten Berufe durch staatliche Kontrolle zu festigen. Dies ist jedoch abzulehnen, da es in diesem Fall kaum möglich sein wird, einen Wettbewerb zu etablieren, der den Menschen fordert.
Der Grund hierfür ist nicht, dass es undenkbar wäre, einen künstlichen Wettbewerb zu schaffen, sondern, dass der Charakter dieses Wettbewerbs ein bürokratischer wäre. Die schiere Zahl der zu verwaltenden Personen und Unternehmen würde dazu führen, dass man gar nicht anders kann, als die Leistung des zu Bewertendem durch abstrakte Kategorien und Kennwerte zu messen. Dass dies in Berufen, in denen man den künstlerischen Charakter hervorheben möchte, zu allerhand Problemen führen würde, versteht sich von selbst.
Bürokratische Hürden und Strukturen sind zudem Gift für jede Form der persönlichen Initiative. Besonders kritisch tritt dieses Problem hervor, wenn man bedenkt, dass es Personen gibt, deren individuelle Fähigkeiten so einzigartig sind, dass diese kaum nach allgemeinen Standards bewertet werden können, aber grade solche Personen oftmals zu den größten Persönlichkeiten gehörten, die ein Volk hervorgebrachte. Bei einem bürokratielastigen System besteht die sehr reelle Gefahr, dass solche Menschen durch das Netz rutschen und irgendwo ganz unten versacken, obwohl ihr Platz an der Spitze wäre.
Die Alternative wäre, staatliche Eingriffe auf ein angemessenes Minimum zu beschränken und, ähnliche wie heute, den Markt sich selbst regulieren zu lassen. Die Vorteile dieser Möglichkeit bestehen darin, dass die Frage des Wettbewerbs sich von selbst löst und ein hohes Maß an persönlicher Freiheit herrscht. Dies ist grade in den Bereichen, in denen Innovation und Fortschritt einen tatsächlichen Mehrwert schaffen und daher wünschenswert sind, von essenzieller Bedeutung.
Für die Berufe, die wir grob als „Handwerk“ zusammengefasst haben, ergibt sich jedoch die Frage, wie man in einer solchen Umgebung für sie die richtige Balance aus Wettbewerb und „Kunst“ schafft. Legt man zuwenig Wert auf Wettbewerb, verlieren die Berufe ihren fordernden Charakter, liegt der Schwerpunkt dagegen zu sehr auf dem Wettbewerb, wird früher oder später eine Reindustrialisierung stattfinden, womit Maschinen Einzug erhalten, die den Menschen verdrängen. Da ein Mangel an Wettbewerb durch den mehr oder weniger freien Markt ausgeschlossen ist, muss das Hauptaugenmerk darauf liegen, eine Reindustrialisierung zu verhindern. Hierzu könnten den entsprechenden Berufen vorstehende Gremien geschaffen werden, welchen die Aufgabe zukommt, den handwerklichen Charakter der Berufe zu erhalten. Dies könnte beispielsweise durch die „Ächtung“ bestimmter Techniken wie CNC-Maschinen geschehen und Unternehmen bzw. Individuen, die sich über dies hinwegsetzen, könnten durch den Entzug von Zertifikaten oder Titeln sanktioniert werden. Was genau „verboten“ oder „erlaubt“ ist, hängt stark vom Beruf und dem hergestellten Produkt ab. Genau aus diesem Grund soll die Kontrolle darüber auch den Zünften selbst unterliegen, da sie am ehesten die Natur ihres Berufes verstehen. Generell sollten Sanktionen ohnehin das letzte Mittel sein. Sie sollen auch nicht dazu dienen, jeden noch so kleinen Handgriff zu kontrollieren, sondern das große Ganze im Auge haben und Exzesse verhindern. Das beste Mittel gegen eine Reindustrialisierung dieser Berufe ist die Schaffung einer Tradition, in deren Zentrum das handwerkliche Geschick des Individuums steht. Eine Tradition, die jegliche Form der Massenfertigung ablehnt und stattdessen die höchste Erfüllung in der Schaffung meisterhafter Unikate sieht. In diesem Geiste ausgebildete Handwerker werden von vornherein aus persönlichem Stolz auf technische Hilfsmittel verzichten, wo immer möglich.
So wie der Markt die Frage des Wettbewerbs löst, löst er auch die Frage der Entlohnung, nämlich dadurch, dass sich das persönliche Gehalt bzw. der Gewinn eines Unternehmens nach dessen Erfolg und Leistung richtet.
Die Konsequenz, die sich daraus ergibt, ist jedoch, dass es Berufe geben wird, deren Nutzen so gering ist, dass deren Ausübung kaum oder gar nicht die zum Leben nötigen Mittel einbringen. In diesem Fall bleibt keine andere Möglichkeit, als den Beruf entweder aussterben zu lassen oder, wenn er als kulturell wertvoll gilt, durch staatliche Mittel zu fördern.
Das dritte Problem ist das des Bedarfs. Durch die Automatisierung würde ein ungeheures menschliches Arbeitspotenzial frei werden und die Frage ist, wohin damit. Es versteht sich von selbst, dass es in einer Gesellschaft nur so viel Tischler geben kann, bis für den Einzelnen kaum mehr etwas zu tun bleibt. Teilweise könnte man dies kompensieren, indem man die Wochenarbeitszeit heruntersetzt oder generell langsamer und mit einem größeren Fokus auf Qualität an die Arbeit herangeht. Mit beiden Maßnahmen kann man aber nur so weit gehen, bis sie selbst wieder zu Problemen führen, da sie die Gefahr einer Erschlaffung in sich tragen.
Eine andere Möglichkeit wäre darüber nachzudenken, ob nicht eine niedrigere Bevölkerungsdichte angemessen wäre. Angenommen, die Arbeitskraft, die ein Mensch der Gemeinschaft hinzufügt, ist größer als die Bedürfnisse, die er hat, könnte man auf diese Weise eine Balance erreichen. Ein durchaus erfreulicher Nebeneffekt wäre ein geringerer Ressourcenverbrauch.
Eine kleinere Bevölkerung könnte sich jedoch aus militärischen Gesichtspunkten als problematisch erweisen, vorausgesetzt zu einem solchen Zeitpunkt ist es für Menschen noch möglich, in Kriegen zu kämpfen, da grade hier die Technik niemals haltmacht bzw. der Mensch überhaupt noch einen wesentlichen Faktor in militärischen Auseinandersetzungen darstellt.
Wie schon anfangs erwähnt, besteht die Möglichkeit, die frei gewordene Arbeitskraft auf andere oder neu geschaffene Berufe zu verteilen, wobei sich hier das Problem ergibt, dass diese ggf. ein höheres Maß an abstrakter Intelligenz erfordern und nicht jeder über diese verfügt.
An dieser Stelle drängt sich der Gedanke auf, die für diese Berufe notwendigen Eigenschaften, durch positive Eugenik, beispielsweise das Fördern von Kindern in Akademikerfamilien, gezielt zu „züchten“. Ein hohes Maß an Intelligenz ist allerdings nicht selten mit weniger wünschenswerten Charakterzügen verbunden und ohnehin nicht für sich allein das wertvollste am Menschen. Grade für uns Deutsche sollte das 20. Jahrhundert in dieser Hinsicht mehr als lehrreich gewesen sein. Immerhin schafften es die deutschen Intellektuellen innerhalb von weniger als 50 Jahren sich gleich zwei Mal von den Feinden Deutschlands an der Nase herumführen zu lassen. Für einen gesunden Volkskörper und den Erhalt des Staats ist daher eine gewisse Vielfalt an Charakterzügen im Volk unabdingbar und jede Manipulation dieser Dinge mit größter Vorsicht zu genießen.
Abschließend wollen wir noch auf die Berufe eingehen, die nicht von der Deindustrialisierung in der Form betroffen wären, wie die klassischen Handwerksberufe. Für Berufe, die nicht von Maschinen übernommen werden können, würde sich im Grunde nichts ändern, da sie von der gesamten Problematik nicht betroffen sind.
Eine gewisse Sonderstellung nehmen noch die sozialen Berufe ein, welche selbstverständlich nach wie vor von Menschen ausgeführt werden sollen. Bei ihnen einen Wettbewerb auf Basis künstlerischer Fähigkeiten zu etablieren, wird sich jedoch in den meisten Fällen, aufgrund des besonderen Charakters dieser Berufe, als kaum möglich und gleichzeitig als nicht nötig erweisen. An Menschen, die diese Berufe ausüben wollen, wird es aller Voraussicht nach ebenfalls nicht mangeln, da der Charakter dieser Berufe Menschen mit darauf zugeschnittenen Wesenszügen anzieht.
Teil 7 folgt…
Ich finde die gesamte Schriftenreihe bis jetzt sehr detailliert beschrieben und durchdacht. Es wird auf zukünftige Herausforderungen eingegangen, auf die nicht einmal die etablierten z.T regierenden Parteien eingehen. Sehr deutlich wird der ganzheitliche Ansatz des Dritten Wegs, der im Gegensatz zu früheren nationalen Parteien nicht nur permanent die Vergangenheit aufgreift, sondern auch die derzeit aktuell stattfindenden Veränderungen mit einbezieht. Wo ich jedoch skeptisch bin, ist bei der Aufrechterhaltung einer wirklichen Konkurrenz beim produzierenden Handwerk. Zu viele originär handwerkliche Produkte können mittlerweile einfach industriell und vollautomatisiert hergestellt werden. Das fängt bei Möbeln an und hört bei kompletten Fertighäusern auf. Es ist einfach effizienter auf solche Produkte zurückzugreifen, weshalb ich nicht glaube, dass eine so hohe Nachfrage nach Unikaten einsetzen wird, dass ein gewisser Konkurrenzdruck im Handwerk aufrecht erhalten werden kann. Wenn es jedoch um Reperaturdienstleistungen und Servicedienstleistung handwerklicher Natur geht, so glaube ich, dass diese noch viele Jahrzehnte weiter gebraucht werden….bis zu einem Zeitpunkt wo dann so perfekte Roboter eingesetzt werden können, die auch sehr händisch orientierte Aufgaben übernehmen können.