
Am Sonntag vor 70 Jahren erschien ein Roman mit der Vision einer vollständig überwachten und totalitären Gesellschaft. Der Besitz der Lektüre „1984“ war in der DDR sogar verboten. Sie zählte zur staatsgefährdenden Literatur. Aber wer schrieb den Roman und weshalb ist er so gefährlich?
George Orwell wurde als Eric Arthur Blair 1903 in Motihari in Britisch-Indien als Sohn eines Kolonialbeamten geboren. Sein Vater war mit Kontrollaufgaben des Opiumhandels betraut. Damals betrieben die Briten den größten Rauschgifthandel der Weltgeschichte. Das Opiummonopol bescherte dem Empire enorme Gewinne.
Orwell reiste mit seiner Mutter nach Großbritannien zurück. Nachdem er dort die Schule besucht und abgeschlossen hatte, wurde er Polizeioffizier in Burma. Hier machte er Erfahrungen mit den Methoden des britischen Imperialismus gegenüber der einheimischen Bevölkerung. In „Tage in Burma“ schreibt Orwell: „Es ist eine erstickende, unglaubwürdige Welt. Eine Welt, in der jedes Wort und jeder Gedanke zensiert wird. Freie Rede ist undenkbar.“ 1927 kehrt er nach England zurück. Das brutale Vorgehen der englischen Kolonialmacht führte dazu, dass er den Dienst quittierte. Er hatte sich vorgenommen, Schriftsteller zu werden.
Zunächst lebte und arbeitete Orwell mit der britischen Unterschicht zusammen, um etwas über ihr Leben zu erfahren. Während nämlich in Großbritannien die Arbeiterklasse in erbärmlichen Verhältnissen lebte, machten deutsche Arbeiter in den 30er Jahren mit KdF-Dampfern Urlaub in Europa. In Großbritannien war das Anlegen der KdF-Dampfer verboten. Die britische Regierung befürchtete, dass es zu Unruhen kommen würde, wenn die britischen Arbeiter die deutschen Verhältnisse wahrgenommen hätten.
Orwell wurde Sozialist. Die Faschisten in seinem Land lehnte er ab. Während des Spanischen Bürgerkriegs schloss er sich nicht den stalintreuen Internationalen Brigaden an, sondern der trotzkistischen „Arbeiterpartei der Marxistischen Einheit„ (POUM). In Spanien wurde er Ausbilder und befehligte kleine Einheiten. Schließlich kämpfen die Kommunisten auch gegeneinander. Die Stalinisten verfolgen die Trotzkisten und begannen mit Säuberungen. Sein Freund Bob Smillie starb im Gewahrsam der kommunistischen Geheimpolizei. Auch der Anführer der POUM, Andreu Nin, wurde verschleppt, gefoltert und liquidiert. Orwell war in Lebensgefahr. Um der Verfolgung zu entgehen, verließ er Spanien. In dem Buch „Mein Katalonien“ verarbeitet Orwell den Spanischen Bürgerkrieg. Er schreibt darüber:
„Der spanische Bürgerkrieg hat größere Lügen produziert als irgendein anderes Ereignis seit dem Ersten Weltkrieg. Am meisten Schaden haben linskgerichtete Zeitungen, wie die News Chronicle oder der Daily Worker angerichtet. Die mit ihrem subtilen Methoden der Verdrehung von Ereignissen bewirkt haben, dass das britische Volk den wahren Grund des Kampfes nicht verstanden hat.“
Im Zweiten Weltkrieg arbeitet Orwell bei der BBC und muss feststellen, dass auch die BBC Propagandalügen verbreitet. Er wechselt zur Tribune.
Während des Krieges schreibt Orwell „Farm der Tiere“. Er verarbeitet auch hier wie in „1984“ die Erfahrungen aus Spanien. Da die Schrift gegen die Sowjetunion gerichtet ist, hat er Probleme einen Verleger zu finden. Der Stalinismus wird als Verrat an den sozialistischen Idealen beschrieben. Die Briten wollen mit ihrem Bündnispartner Sowjetunion keinen Streit riskieren, daher kann das Buch erst im August 1945 veröffentlicht werden. Orwell wurde mit der Veröffentlichung weltberühmt.
Noch größeren Erfolg sollte er aber mit „1984“ haben. Veröffentlicht 1949, geschrieben 1948 (Die Vertauschung der letzten zwei Zahlen ergeben den Titel) schildert der Autor eine totalüberwache Welt die durch Anpassung an die politische Korrektheit gekennzeichnet ist. Begriffe aus dem Roman gingen in den modernen Sprachgebrauch über, so z. B.: Großer Bruder (big brother), big brother is watching you, Altsprech, Neusprech, Zwiedenk (Doppeldenk). Die Vision Orwells erinnert an heutige Zeiten, in denen auch versucht wird, anhand von Sprache die Gedanken zu kontrollieren. Mitteldeutschland wird zu Ostdeutschland, Grundgesetz wird zur Verfassung, Fremdherrschaft wird zur Befreiung, aus Einwanderern werden Flüchtlinge. Die Sprache wird gesäubert (Zigeuner, Neger). Wer der Gleichschaltung nicht zustimmt und nicht mitmacht, wird sofort als Feind erkannt, da das Denken in verbotenen Begriffen eine Gefahr darstellt.
Die Kontrolle der Vergangenheit (Geschichtsschreibung) nimmt für Orwell einen besonderen Platz ein. „Wer die Vergangenheit unter Kontrolle hat, kontrolliert die Zukunft und wer die Gegenwart unter Kontrolle hat, kontrolliert die Vergangenheit.“
Auch, wenn es in der Bundesrepublik keine zentrale Einrichtung wie das orwellsche Wahrheitsministerium gibt, wird dennoch (dezentral) im Namen der „Offenkundigkeit“ von Politik und Justiz diktiert welche Geschichtsversion für wahr zu halten ist. Wer dem widerspricht ist, in der Sprache von Orwell ein „Gedankenverbrecher“.
Die Welt in der wir heute leben ist der Welt von „1984“ viel ähnlicher als die meisten Menschen glauben mögen. Der Totalitarismus wird aber stets nur von denen wahrgenommen, die gegen den Strom schwimmen. Wer im Totalitarismus mit dem Strom schwimmt, hat keine Maßnahmen gegen sich zu befürchten und spürt keine Repression.
1950 stirbt George Orwell mit 46 Jahren an Tuberkulose.
Ihr solltet auch Farm der Tiere lesen, dann wisst ihr, das die Schweine bei uns in Deutschland an der Macht sind.
Stimmt genau. Aber es gibt in der BRD ein zentrales Propagandaministerium. Es nennt sich Zentrum für politische Bildung.