Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) schreitet, wie zu erwarten war, nicht gegen eine „Verurteilung“ zweier Lebensmittelaktivistinnen wegen des sogenannten Containerns ein. Somit stellt das höchste deutsche Gericht klar, dass das Containern strafbar ist.
Worum ging es in dem Verfahren
Beim Containern werden noch nicht verdorbene Lebensmittel, welche dennoch in den Müllcontainern des Einzelhandels landen, für den Verzehr entwendet. Die beiden Studentinnen hatten im Juni 2018 noch essbares Obst, Gemüse und Joghurt aus dem Container einer Einzelhandelskette entwendet, um diese selbst zu verzehren.
Nach der in der BRD geltenden Rechtslage stellt dies einen Diebstahl dar. Denn es gilt: wer etwas in den Müll wirft, der gibt nicht das Eigentum an dieser Sache auf, sondern möchte dieses Eigentum an den Müllentsorger (hier das Unternehmen, welches den Container leert), übertragen. Auch Müll gilt als Wirtschaftsgut.
Die beiden Aktivistinnen wurden nun von der Einzelhandelskette angezeigt. Die bayerische Staatsanwaltschaft sah in dem Verfahren ein besonderes öffentliches Interesse. Gemäß der geltenden Rechtslage wurden die beiden von den bayerischen Gerichten, allerdings lediglich symbolträchtig, wegen Diebstahls verurteilt. Den beiden wurden je 8 Sozialstunden auferlegt und eine geringe Geldstrafe von 225 Euro wurde unter Strafvorbehalt gestellt. Diese wird somit nur fällig, wenn die beiden während der nächsten 2 Jahre erneut straffällig werden. Mit der gegen diese Verurteilung gerichteten Verfassungsbeschwerde wollten die Aktivistinnen mehr Menschen auf das Problem aufmerksam machen. Die Erfolgsaussichten waren aus juristischer Sicht aufgrund der klaren Rechtslage eher minimal.
Hintergrund: Kampf gegen Lebensmittelverschwendung
Die Schere zwischen arm und reich klafft auch in Deutschland und Europa jährlich immer weiter auseinander. Während die Zahl derer wächst, die sich nicht einmal ein warmes Essen am Tag leisten können, landet ein großer Teil an noch verzehrbaren Lebensmitteln auf dem Müll.
Dokumentationsfilme wie „Taste the waste“ oder auch „Essen im Eimer“ (aus dem Jahr 2016 zu sehen hier) sind noch immer aktuell.
Nicht zuletzt zweifelhafte Vorgaben der EU sorgen für eine Entsorgung von verzehrfähigen Lebensmitteln. So dürfen Lebensmittel, welche nicht den EU-Normen entsprechen, nicht verkauft werden. Die wohl größte Bekanntheit dahingehend dürfte die inzwischen nicht mehr bestehende EU-Richtlinie über den Krümmungsgrad von Gurken erlangt haben. Noch in Kraft sind dagegen andere Richtlinien, die beispielsweise den Verkauf von Äpfeln verbieten, deren Durchmesser kleiner als 55 mm ist. Auch eine Verwertung abgelaufener aber noch genießbarer Lebensmittel als Tierfutter wird in vielen Bereichen durch die EU verboten.
Aber auch das sogenannte Mindesthaltbarkeitsdatum sorgt dafür, dass viele Supermärkte noch nicht gekaufte Lebensmittel, obwohl diese noch essbar sind, entsorgen. Einige Unternehmen haben zwar die Anzahl dieser Lebensmittel durch die Gewährung von Rabatten und die Spende an Verteilorganisationen wie die Tafeln reduziert. Dennoch landen im deutschen Einzelhandel noch immer jährlich ca. 550 Tonnen verzehrbarer Lebensmittel auf dem Müll.
Die Spende solcher Lebensmittel an Verteilorganisationen ist für die gewinnorientierten Unternehmen wenig lukrativ. Zum einen sollten die Lebensmittel zuvor sortiert werden, um wirklich ungenießbares auszusondern. Tatsächlich geschieht dies in weiten Teilen jedoch nur sehr oberflächlich oder teils gar nicht. Zum anderen gilt, wer bereits von einer solchen Wohltätigkeitsorganisation etwas zu essen erhalten hat, wird sein weniges Geld eher für andere notwendige Anschaffungen ausgeben. Dadurch sinkt der potentiell zu erreichende Gewinn.
Rechtslage in Nachbarländern
Während man in der BRD weiterhin, dem Diktat der gewinnorientierten Wirtschaft folgend, auf freiwilliges Engagement setzt, haben einige Nachbarländer bereits konkrete Maßnahmen ergriffen. So sind in Frankreich Supermärkte mit einer Fläche von über 400 m² dazu verpflichtet, unverkaufte Lebensmittel an Organisationen wie die Tafel zu spenden. Werden diese dennoch entsorgt, wird ein verhältnismäßig geringes Bußgeld von 3.750 Euro fällig.
In Tschechien sind Supermärkte verpflichtet, unverkaufte Lebensmittel an Wohltätigkeitsorganisationen weiterzugeben. Bei einem Verstoß droht hier ein Bußgeld von bis zu 390.000 Euro. Auch in Polen wurde 2019 ein ähnliches Gesetz verabschiedet. Somit landen dort unverbrauchte Lebensmittel nicht länger in der Tonne, sondern über Wohltätigkeitsorganisationen in den Mägen bedürftiger Landsleute.
Das Problem ist der globalisierte Kapitalismus
Auch in Deutschland benötigen wir eine solche verbindliche Regelung. Dadurch würde auch die moralische Frage über die Strafbarkeit des Containerns obsolet.
Darüber hinaus gilt es jedoch nicht nur, derartige Symptome des gewinnorientierten und verschwenderischen Denkens zu bekämpfen. Wir brauchen eine tiefgreifende Rückbesinnung auf die Verbindung zwischen Lebensmitteln und deren Erzeugung, vorwiegend auf heimischem Boden. Der Grundsatz „Regional vor International“ spart nicht nur überflüssige Transportwege ein und leistet einen Beitrag gegen die globale Ausbeutung von Ressourcen und Menschen, sondern fördert auch die Wirtschaft vor Ort.
Noch vor einigen Jahren wurden Nationalisten für die Forderung nach einer stärkeren Unterstützung regionaler Wirtschaftskreisläufe verhöhnt, verlacht und schlicht als dumm dargestellt. Die Globalisierung und der absolute Konsum waren schließlich das Hauptstreben der breiten Masse. Je exotischer, desto besser war die Devise.
Heute erkennen hingegen immer mehr Menschen wieder die Richtigkeit der nationalistischen Position. Der immer stärker werdende Hang zurück zu eher regionalen Produkten lässt hierbei hoffen. Dies muss durch entsprechende Maßnahmen weiter gefördert werden.