Vor fast genau 4 Jahren wetterte Matteo Salvini, oberster Chef der Lega Nord, noch gegen die EU und Mario Draghi: „Der Euro hält uns zusammen, er ist unumkehrbar. Es tut leid, dass ein Italiener Komplize derjenigen ist, die unsere Wirtschaft massakrieren“.
Am 6. Februar 2021 die Kehrtwende: „Kein Veto gegen Draghi, wir sind bereit, die Regierung voll zu unterstützen“. Aber wie kam es dazu, dass die Partei, die bis vor Kurzem als Schlagwörter „Raus aus dem Euro“, „Souveränität“, „Stop der europäischen Migrationspolitik“ benutzte, einen Bankier mit Goldman Sachs Erfahrung, ehemaliger Chef der Europäischen Zentralbank, Mitglied des Group of Thirty und des Bilderberg Zirkels, der Trilater Commission, des Aspen Institutes unterstützen möchte?
Wie kann eine Partei, in der Wirtschaftsexperten wie Borghi und Bagnai noch vor wenigen Jahren die sofortige Abschaffung des Euro forderten, eine Figur wie Draghi als Ministerpräsidenten dulden oder sogar unterstützen?
Die Gründe sind, wie so oft, reines politisches Kalkül. Die Lega Nord ist und bleibt eine konservative liberale Partei des Mittelstandes. Die meisten Wähler sind in den reichen Großstädten im Nordosten, wie z.B. Verona, zu finden. Die Prioritäten dieser Wählerschaft sind u.a. eine niedrigere Steuerlast (Italiens Steuerlast zählt zu den höchsten in ganz Europa), billiges Geld, flexiblerer Arbeitsgesetze, eine Wiederannäherung zum atlantischen Pakt und den USA (nach Jahren der Ausrichtung eher nach Osten und China) und eine stärkere Verhandlungskraft in Brüssel. Alles Themen, die unter Draghi an Wichtigkeit gewinnen dürften, die ersten Aussagen gehen alle in diese Richtung.
Es dürfte naheliegend sein, daß die Lega nicht die einzige Partei ist, welche sich dazu bereit erklärt, ihren ursprünglichen Positionen und Themen abzuschwören. Sogar die Anti Banken und EU-feindliche 5 Sterne-Bewegung des ehemaligen Komödianten Beppe Grillo hat sich bereit erklärt, Draghi zu unterstützen. Hier dürften die Gründe auch Kalkül sein. In den Umfragen ist die Bewegung nämlich auf unter 15% gestürzt und im Falle von Neuwahlen wäre eine Regierungsbeteiligung äußerst unwahrscheinlich. Es bleibt aber spannend zu sehen, ob das Veto von Beppe Grillo gegen eine Beteiligung seitens der Lega an einer Draghi-Regierung bestehen bleibt und ob Draghi bereit ist, der Grillo-Bewegung das geforderte Super-Ministerium zu ökologischen Themen zuzusichern. Offen ist auch noch, wie die online-Abstimmung unter den Mitgliedern der 5s.-Bewegung ausgehen wird. Berlusconi, es gibt ihn und seine Partei Forza Italia tatsächlich noch, hat ebenfalls die Unterstützung zugesagt.
Die Mitte-Links Parteien inkl. Demokratischer Partei dürften auch mit von der Partie sein.
Die einzige Fraktion, die bis jetzt konsequent geblieben ist, ist Fratelli d’Italia, die post-faschistische Nachfolgepartei der Allianza Nazionale und des Movimento Sociale Italiano. Ihre Anführerin Giorgia Meloni bleibt bis jetzt standhaft und hat verkündet, dass sich die Partei noch entscheiden muss, ob sie Nein zu einer Regierung Draghi wählen, oder ob sie sich enthalten wird. Im Falle eines klaren Neins wäre Fratelli d’Italia praktisch die einzige Oppositionskraft im Parlament.