Kriege gegen widerborstige Staaten, Privatisierungen auf Teufel komm‘ raus, Einstreichen staatlicher Subventionen hier – Anschläge auf Polizeireviere, von Häuserdächern geworfene Gehwegplatten, Abkassieren von „Staatsknete“ für „offene Jugendarbeit“ dort: Liberalisten und Anarchisten sind sich so unähnlich nicht. Ihr Antrieb ist der Individualismus, oder besser: der mit Brutalität gepaarte Egoismus.
„No Borders – No Nations“: An Laternenpfählen sind – vor allem in den größeren Städten – Aufklebermotive zu finden, deren Urheber für eine grenzenlose Welt ohne (geschichtlich gewachsene, volkstumsbezogene und für den Einzelnen überschaubare) Nationen eintreten. Doch so neuartig ist das dahinterstehende Gedankenkonstrukt, mit dem die „Antifa“-Gruppen Propaganda betreiben, indes nicht.
Ein Vordenker des Globalismus
Benedikt Kaiser geht in seinem lesenswerten Buch Solidarischer Patriotismus. Die soziale Frage von rechts (Verlag Antaios, Schnellroda, 2020) auch auf die Vertreter neoliberaler Anschauungen ein. Zum Kreis der gemäßigten Verfechter zählte demzufolge Wilhelm Röpke (1899-1966), der sich immerhin dafür aussprach, die Wirtschaft in die Gesellschaft einzubetten. Als erzliberalistischer Apologet hingegen kristallisierte sich neben Friedrich August von Hayek (1899-1992), der durch seine Weltstaatsidee Bekanntheit erlangte, Ludwig von Mises (1881-1973) heraus. Dessen 1927 erschienenes Werk Liberalismus kann quasi als Schablone globalistischen Denkens (und Handelns!) gewertet werden.
Betont Mises doch hier, dass für einen wahrhaften Liberalen die „Welt nicht an den Grenzen des Staates“ endet. Überhaupt hätten „für ihn die Staatsgrenzen … nur eine nebensächliche und untergeordnete Bedeutung“, eben weil „sein Denken die gesamte Menschheit umfasst“. Dem Staat wies Mises eine bloße Nachtwächterrolle zu: Neben der Gewährleistung der inneren Sicherheit sollte ihm lediglich noch die Aufgabe zufallen, private Eigentumsrechte zu garantieren. Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Ausländer lehnte von Mises als marktverzerrend ab. Staatsbetriebe, selbst effizient arbeitende, sollten der Privatisierung anheimfallen. Außerdem forderte er eine breit angelegte Lohnsenkung, um auf diese Weise den globalen Anforderungen der internationalen Märkte gerecht werden zu können.
Brüder im Geiste
Die heutigen Globalisten, sozusagen Jünger Mises‘, werden die oben genannte Antifa-Parole mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen. Denn ihnen ist nicht nur an möglichst ungehemmten Warenströmen und an einer Mobilisierung von Kapital, sondern auch von Menschen gelegen, die sie (wenn nötig, durch Kriege) als möglichst billige, wurzellose Manövriermasse des ebenfalls wurzellosen Großkapitals hin- und herschieben können.
Insofern marschieren „Antifaschisten“ und Globalisten als Brüder im Geiste Arm in Arm. Und weil die Hardcore-Vertreter des Neoliberalismus den Staat als solchen auf ein Minimum herunterstutzen wollen, sind sie für die „Antifa“ durchaus attraktiv, ja, es besteht durchaus eine gewisse Vereinbarkeit mit dem eigenen, vom Anarchismus geprägten Denken.
Anarchía steht laut Benselers griechisch-deutschem Wörterbuch zum einen für einen „Mangel an Oberherren oder Feldherren“, auch „Herrenlosigkeit“, zum zweiten für einen „gesetzlosen Zustand des Staats, wo kein Oberhaupt anerkannt wird“ und zum dritten für „Zügellosigkeit, Anarchie“.
Die im 19. Jahrhundert in den romanischen Ländern entstandene politische Lehre des Anarchismus lehnt jede staatliche Gewalt und Ordnung ab. Statt auf Reformen wird auf die offene Gewalt gegen Personen und Einrichtungen gesetzt. Das menschliche Zusammenleben wird nach anarchistischer Überzeugung rein vom Willen und der Einsicht des Einzelnen bestimmt – bereits hier wird ein gerüttelt Maß an Naivität deutlich: Wären die Menschen gleich (und zwar alle gleich gut!), könnte das System sogar funktionieren. Der Mensch ist indes unfertig bzw. unvollkommen und bedarf deshalb eines Rahmens, den der Staat in Gestalt von Normen und Gesetzen vorgibt. Dabei muss er natürlich die richtige Balance zwischen den eigenen Machtansprüchen und den Freiheitsrechten seiner Bürger finden, da er sich sonst über kurz oder lang selbst aufhebt bzw. vom Volkszorn hinweggefegt wird. Überlässt man die Normensetzung einzelnen Gruppen, droht eine gesellschaftliche Zerklüftung.
Aufklärung leisten, Geldhähne schließen
Der Eintrag zum Stichwort „Anarchismus“ in Meyers Konversations-Lexikon von 1874 ist insofern durchaus noch aktuell: „Ein wohlgegliederter Staatsorganismus hat für Herrschaft und Freiheit Raum und gewährt dem Ganzen wie den Teilen, was ihnen zukommt und ihr Gedeihen fördert.“ Mit (zu) optimistischem Unterton wird weiter bemerkt: „Es scheint dem Germanentum vorbehalten zu sein, die richtige Vereinigung von Herrschaft … und Freiheit zu finden.“ Nur zwei Jahrzehnte später kam die Polizei des Kaiserreiches zu ganz anderen Schlüssen.
In einer Vorlage, die der Reichstag Anfang Dezember 1894 erhielt, heißt es u.a.: „Wenngleich der Anarchismus das Feld seiner verbrecherischen Tätigkeit bisher hauptsächlich im Auslande gesucht hat, so ist doch die Besorgnis nicht abzuweisen, dass er im Inlande an Boden gewinnt. Schon haben sich in größeren deutschen Städten Verbindungen anarchistischer Richtung gebildet, und weitere derartige Verbindungen sind in der Bildung begriffen. In letzter Zeit hat sich auch der Zuzug einer nicht unbeträchtlichen Zahl von Personen bemerkbar gemacht, welche wegen ihrer anarchistischen Wirksamkeit aus benachbarten Staaten, vornehmlich Frankreich und der Schweiz, ausgewiesen worden sind.“ Als Dreh- und Angelpunkt fungierte der Londoner Klub „Autonomie“.
Doch was ist heute zu tun? Zunächst einmal muss das derzeitige sicherheitspolitische Kastratentum durch eine Schutzpolitik ablöst werden, die diesen Namen auch verdient, indem zu einem effektiven Grenzregime zurückgekehrt wird. Zum zweiten dürfen „Antifa“-Projekte nicht länger staatliche Alimentierungen in Form von Zuschüssen oder Immobilien erhalten. Und nicht zuletzt ist dringend eine breit angelegte Aufklärungsarbeit vonnöten. Grundtenor: Antifa-Gruppen sind letztlich nützliche Idioten der Globalisierer – und damit Knechte des Kapitals, das sie zu bekämpfen vorgeben. Ja, mehr noch: Es besteht eine Wesensverwandtschaft.