Die Ausgangslage
In der Zeit zwischen 1138 – 1254, als die Staufer (Hohenstaufen) die deutschen Könige und Kaiser stellen, wächst die Macht der Landesfürsten zulasten einer starken Zentralmacht immer stärker. Grund für dieses Entwicklung ist nicht zuletzt das starke Engagement der Könige in Italien und die ständigen Streitereien mit den diversen Päpsten. Diese entspringen in erster Linie der Frage, wer wessen Lehnsherr ist: der Kaiser der des Papstes oder der Papst der des Kaisers. Um die Hintergründe der Fragestellung zu beleuchten, ist hier nicht der geeignete Platz. Tatsache ist, daß das König- und Kaisertum immer mehr Macht zugunsten der Landesfürsten aus den Händen gibt, um die italienischen Kriege bestreiten zu können. Zudem sind wegen diesen italienischen Zwistigkeiten die Herrscher sehr oft und sehr lang außer Landes, was die Territorialherren dazu nutzen, ihre Einflußgebiete zu erweitern und sich königliche bzw. kaiserliche Rechte anzumaßen, z.B. das Münzregal (das Prägen von eigenen Münzen).
Als dann die Ära der Staufer zu Ende ist, gelingt es einzelnen Herrschern zwar, mit starker Hand zu regieren, so z.B. Albrecht I. (Habsburg), der am 01. Mai 1308 durch ein Komplott seines Neffen Johann von Österreich ermordet wird, doch diese kleinen „Zeit-Erfolge“ vermögen es nicht, die Zentralgewalt innerhalb des Reiches dauerhaft zu etablieren und den Einfluß der Landesherrschaften zu schmälern.
Diese Unfähigkeit der deutschen Könige und Kaiser, das Reich als solches innenpolitisch zu befrieden, eine starke Zentralgewalt aufzubauen und diese mit „starken“ Herrschern auch langfristig aufrechtzuerhalten, setzt sich über die Jahrhunderte fort. Wenn hier durch den einen oder anderen Regenten kurzfristig Erfolge erzielt werden können, so verspielte sein nächster, spätestens sein übernächster Nachfolger das Gewonnene. Es bleibt in den meisten Fällen so, wie es war.
30 jähriger Krieg
Wie nun die bislang größte deutsche Katastrophe, der 30jährige Krieg, am 14. Oktober 1648 mit den Friedensschlüssen von Münster und Osnabrück zu Ende ist, steht das nur noch dem Namen nach bestehende Heilige römische Reich deutscher Nation (HRR) vor einem Scherbenhaufen. Es wird in mehr als 2.000 (!) Einzelstaaten zerstückelt. Der Staatsrechtler Samuel Pufendorf (*08.01.1632 – † 26.10.1694) schreibt dazu: „Es bleibt also nichts übrig, als Deutschland, wenn man es nach den Regeln der Politik klassifizieren will, einen unregelmäßigen und einem Monstrum ähnlichen Staatskörper zu nennen.“ Die einschneidenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen der Friedensschlüsse erheben die Fürsten der Einzelstaaten zu souveränen Herrschern auf ihren Territorien – der Partikularismus [01] hat sich verfestigt. Ihnen stehen dadurch ein eigenes Heer, eine eigenständige Außenpolitik – was das Eingehen von Bündnissen mit Fremdmächten einschließt, sowie eine völlige innenpolitische Handlungsfreiheit zu. Das geht so weit, daß sie auch die Religion der Untertanen bestimmen dürften – wer sich nicht unterordnen wollte, kann ja auswandern.
Der Kaiser ist in fast allen wesentlichen Reichsangelegenheiten an die Zustimmung der Fürsten gebunden. Der Kaiser büßt dadurch , daß auch die bisherigen „Freien Reichsstädte“ nun auch zu Teilen der landesfürstlichen Gebiete werden, deren politische und wirtschaftliche Bedeutung für das Gesamtreich ein. Durch diese Entwicklung wird dem Kaiser eine echte Regierung des Reiches unmöglich gemacht. Als Folge davon legt der letzte Kaiser des HRR, Franz I., am 06. August 1806 die Reichskrone nieder. Eine Tausendjährige Geschichte ist damit zu Ende.
Napoleonische Herrschaft und Revolutionen
Hier braucht nicht näher auf die Ära Napoleon Bonapartes eingegangen zu werden. Dieser Zeitabschnitt dürfte dem Leser hinlänglich bekannt sein. Eine der Hauptbedingungen, die seine Erfolge mittragen, ist die Tatsache, daß es seit Kardinal Richelieu französische Politik ist, die Nachbarn schwach und uneinig zu halten. Nach seinem Sturz werden zaghafte Versuche eingeleitet, um wieder zu einer Einheit zu gelangen. Doch auch die verschiedenen Revolutionen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind nicht in der Lage, den Partikularismus zu beenden. Daran ändert auch das Frankfurter „Paulskirchen – Parlament“ – auch als „Professoren-Parlament“ bezeichnet – von 1848 nichts, das sich redlich bemüht, eine Einheit aller deutschen Staaten herzustellen. Doch es prallten zu viele unterschiedliche, ja oftmals gegensätzliche Ideen aufeinander, um sich auf eine gemeinsame Linie zu einigen. So blieb alles beim Alten.
Als Fazit dieses Abschnitts unserer Geschichte kann nur festgestellt werden, daß diese Zeit, so schmerzvoll sie in politischer Hinsicht war, uns doch etwas beschert hat, das möglicherweise ansonsten verlorengegangen wäre: wir konnten uns die Vielfalt unserer Regionen, die völkischen und kulturellen Eigenheiten unserer Heimat bewahren. Sehen wir den zentralistsch geprägten Nachbarn Frankreich an: hier ist alles Einheitsbrei – von den Pyrenäen bis zur belgischen Grenze. Und wie reich ist im Gegensatz unser Volksleben, wie vielfältig sind unsere Traditionen, die sich -– von Garmisch bis nach Kiel – sehr voneinander unterscheiden. Seien wir dankbar für deren Erhalt.
Anmerkungen:
[01] Partikularismus
(von lat.: particula = das Teilchen) Spätestens seit dem Ende der Karolinger wesentliches Merkmal deutscher Geschichte. Seit dem Mittelalter das Streben einzelner Häuser oder Landesfürsten nach polit. Reichs-Unabhängigkeit, die militärische, politische und sonstige Sonderrechte beinhalten. Diese Sonderinteressen werden immer über die politischen Notwendigkeiten des gesamten Reichs-Interesses gestellt.
Fortsetzung folgt…