Gastbeitrag: Russen und Ukrainer: Todfeinde oder Glieder eines Volkes?

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Im Folgenden ein Gastbeitrag von Dr. Gunter Kümel. Es handelt sich um die Meinung des Autors und nicht zwingend um die der Partei „DER III. WEG“. Wir stehen grundlegend “für eine nationalrevolutionäre Streitkultur” und möchten daher zur Diskussion und Meinungsbildung durch das Veröffentlichen von Gastbeiträgen anregen.

Der Rote Hunger

Krieg ist immer ein Menschheitsverbrechen. Das Imperium USA hat noch jeden seiner Kriege mit einer Lüge begonnen, und das nicht erst seit 1917. Und auch diesmal geht es nicht um die Freiheit eines armen Landes; wieder einmal muß ein Land als Stellvertreter leiden in einem Krieg zur US-Machterweiterung. Aber ist denn Putins Argument valide, ohnehin sei die Ukraine ein Teil des „dreieinigen Russlands“?

Man kann nur darüber staunen: Im Handumdrehen radikalisierte sich die Mehrheit der BRD-Bevölkerung nach Medienpropaganda zu fanatischem „Anti-Russismus“ und kriegslüsterner Hysterie. Die Ampeltruppe erklärte die BRD durch Waffenlieferung zur Kriegspartei und entfachte einen Wirtschaftskrieg gegen das russische Volk. Wer das Russische beherrscht, oder russische Kultur wertschätzt, ist fast schon vogelfrei. Ein russischer Dirigent und eine Opernsängerin wurden gekündigt, Studenten rausgeschmissen, der „russische Zupfkuchen“ umbenannt. Eine Katzenzucht-Vereinigung gab bekannt, „russische Katzen“ wären in Zukunft ausgeschlossen. Ein Schulbus-Unternehmen eines Russlanddeutschen wurde nächtens attackiert, die Busse schwer beschädigt und mit üblen Parolen beschmiert. Dabei sind gerade die Russlanddeutschen Opfer der Russen, nicht Täter. Ich kann mir jetzt besser vorstellen, wie Rowdies in den 1930er-Jahren gegen jüdische Mitbürger vorgegangen sind.

Druckmedien und Staatsfunk lassen Rationalität und Objektivität völlig außer Acht, sie berichten nicht, liefern nicht Analyse und Hintergrundinformation. Sie hetzen: „Der Russe“ ist böse!

Wie steht es mit dem Narrativ, die Ukrainer seien ohnehin dasselbe Volk wie die Russen, daher sei der Einmarsch gerechtfertigt?

Die ersten Stämme der Slawen bildeten sich auf dem Gebiet der heutigen Ukraine, im Austausch mit Goten, Balten, Finnen und asiatischen Steppenvölkern. Im 9. Jahrhundert entstand als Gründung von Wikingerfürsten und Slawengruppen die „Kiewer Rus“, das erste slawische Reich: Kiew, Moskau, Nowgorod, Ostsee. Die Bevölkerung differenzierte sich zu Russen, Ukrainern und später Weißrussen. Es waren also eher die Ukrainer die Väter Russlands als umgekehrt.

Diese völkische Aufspaltung wurde durch die unterschiedliche staatliche Zugehörigkeit der Ukrainer und Russen gefördert. Ukrainische Gebiete gehörten im Laufe der Geschichte zu Polen-Litauen, zu Polen, und einige Jahrzehnte lang war die Ukraine als Kosakenstaat selbständig. Dann unterstellte sich die östliche Hälfte dem Zaren, den westlichen Teil okkupierte Polen. Bei der Aufteilung Polens vor 150 Jahren fiel die Ukraine weitgehend an Russland, der Westen an den Habsburgerstaat. Die Ukrainer im Zarenreich unterlagen einer weitgehenden Russifizierung, im alten Österreich konnten sich die ukrainische Identität als eigene Kulturnation und die Sprache frei entwickeln. Nach der Niederlage des Zarenreiches im WKI (Friedensvertrag von Brest-Litowsk) wurden Finnland und die baltischen Staaten selbständig, ebenso die Ukraine und Georgien; diese beiden Staaten wurden aber binnen kurzem von der Roten Armee erobert und als Sowjetrepubliken in die UdSSR eingegliedert.

Nach 1918 wurde dem ahistorischen Kunststaat CSR ein ukrainischer Anteil zugewiesen. Das 1916 neugegründete Polen eroberte riesige Gebiete der Ukraine und Weißrusslands, Deutschlands und Litauens. Dies führte in der Ukraine zu weiterer regionaler Differenzierung.

Die Identität eines Volkes wird durch seine Kultur bestimmt

Russisch und Ukrainisch sind wechselseitig verständlich; sie sind eigenständige Sprachen, aber sehr verwandt, näher als Spanisch und Portugiesisch. Die meisten Ukrainer beherrschen fließend oder ausreichend beide Sprachen. Das Ukrainische hat regional Wörter aus dem Polnischen, Deutschen und Rumänischen aufgenommen. Die Krim ist fast ausschließlich russischsprachig, dies gilt auch weitgehend für Donezk und Luhansk. Heute betrachten 68 Prozent der Bürger Ukrainisch als ihre Muttersprache, mehr als 80 Prozent der Schüler und Studenten werden auf Ukrainisch unterrichtet, aber nur 60 Prozent sprechen zu Hause Ukrainisch (https://uacrisis.org/de). Die Schrift ist durchgängig kyrillisch, die Religion orthodox, im Westen katholisch, im Süden zu 10% muslimisch.

Ukrainer und Russen könnten also ein einziges Volk bilden, wie Putin dies behauptet.

Aber sind sie es? Das hängt davon ab, ob sie das wollen!

Und sie wollen es nicht. Die Russischsprachigen wollen Russen sein, alle anderen sehen sich jedoch als Ukrainer, punktum. Dieses Bewußtsein hat seine Wurzel in der Geschichte der Ukraine während der Sowjetzeit.

In den frühen Jahren der UdSSR wurde die Identität der Ukrainer als eigenes Volk zunächst stark gefördert. Das änderte sich aber, als Stalin die Macht ergriff.

Stalin war 1922 von Lenin in die Ukraine geschickt worden, um mit nackter Gewalt Getreide zu requirieren. Der Widerstand der Ukrainer dagegen führte zu einer Feindschaft des Georgiers Stalin gegen die ukrainischen Bauern, für ihn waren sie fremde „Kulaken“ und „Parasiten“. Stalin ordnete 1929 die Zwangskollektivierung aller landwirtschaftlichen Betriebe an, der Landbesitz der Bauern galt als systemwidrig. Aller Besitz des Bauern, Land, Maschinen, Gebäude, alles, mußte in ein landwirtschaftliches Kollektiv eingebracht werden, die Kolchose (“Dir wird nichts mehr als Eigentum gehören, und Du wirst glücklich sein!“). Dies führte zu einem starken Einbruch der Erntemenge, und zu einer erheblichen, teilweise extremen Hungersnot in den Landwirtschaftsgebieten, die mehrere Jahre (bis 1933) anhielt: dem „Holodomor“.

Es sollten aber steigende Mengen abgeliefert werden, was beim besten Willen nicht möglich war. Stalin schickte schwer bewaffnete Kommandos in die Dörfer, die sämtliches Getreide beschlagnahmten und abtransportierten, dessen sie habhaft werden konnten. Dies betraf auch die Mengen, die die Bauern zur Viehfütterung und für den Eigenbedarf benötigt hätten und sogar das Saatgut für die nächste Aussaat. Wer nicht liefern konnte oder gar Getreide versteckte, wurde mißhandelt, enteignet, in die Vernichtungslager (GuLag) deportiert oder gleich ermordet. Dörfer, die ihr Ablieferungssoll nicht einhalten konnten, wurden vielfach von der Armee umstellt, die die Zufuhr sämtlicher Waren blockierten, insbesondere von Lebensmitteln: bis alle Bewohner verhungert waren. Zur Kennzeichnung eines solchen Dorfes wurde ein „Schwarzes Brett“ an den Dorfeingang gestellt, niemand durfte helfen. In den Jahren 1932–1933 wurden 25% der Bezirke, darunter 400 Kolchosen allein in der Region Charkiw auf die Schwarzen Bretter eingetragen.

Zwar betraf die Mangelversorgung auch Gebiete in Russland und in Kasachstan, aber in den ukrainischen Dörfern, auch im Kuban-Gebiet, in Bezirken des Nordkaukasus und der Wolgaregion, wurden die Maßnahmen mit gezieltem Vernichtungswillen durchgeführt. War das Nachbardorf von Russen bewohnt, dann gab es dort zwar keinen Überfluß, aber auch keine Hungersnot. An der Wolga wurden auch die Deutschen in der Wolgarepublik dezimiert.

Das Massensterben war eine gezielte Mordaktion der Stalin-Verwaltung an den Ukrainern. Während auf dem Land die Bauern starben, attackierte die Geheimpolizei die geistigen und politischen Eliten der Ukraine. 1932 und 1933 wurden rund 200.000 Ukrainer verhaftet, kulturelle und religiöse Institutionen sowie das Bildungs- und Verlagswesen von ukrainischen Einflüssen „gesäubert“; die ukrainische Sprache wurde unterdrückt oder dem Russischen angeglichen. Die Repression gegen ukrainische Parteifunktionäre und Intellektuelle, gegen Professoren, Museumskuratoren, Schriftsteller, Künstler, Priester bedeutete die Auslöschung einer ganzen Generation der gesellschaftlichen Elite des Landes und damit der Zerstörung des ukrainischen Nationalbewußtseins.

Millionenzahlen haben die Tendenz, um Größenordnungen zu schwanken (Beispiel Judenverfolgung oder Dresden). Die Zahl der Holodomor-Opfer wird mit 4-7 Millionen Ukrainern angegeben. Der Historiker Robert Conquest berechnet 1986 auf Basis sowjetischer Volkszählungen die Zahl der Todesopfer durch Hunger, Deportation und die Ermordung von „Kulaken“ unionsweit mit bis zu 14,5 Millionen Menschen.

Und was geschah eigentlich mit dem requirierten Getreide? Diente es vielleicht dazu, an anderen Stellen der UdSSR den Hunger zu lindern? Nein! Das Getreide wurde zu Dumpingpreisen exportiert, um die Aufrüstung finanzieren zu können.

Als wenige Jahre nach der Katastrophe das Deutsche Reich der bevorstehenden Invasion der Roten Armee mit einem Präventivschlag gegen die Sowjetunion zuvorkam, wurden die deutschen Truppen in der Ukraine als Befreier und Freunde empfangen. Da Stalin durch den „Verbrannte-Erde-Befehl“ und den „Fackelmännerbefehl“ die Ukraine zum zweiten Mal an den Rand der Vernichtung gebracht hatte, mußte Deutschland im „Ostackerprogramm“ das Land mit einem Aufwand von mehr als 3 Milliarden Mark wieder aufbauen. Kraftwerke und Industriebetriebe wurden wiedererrichtet, Zehntausende von Lokomotiven und Waggons geliefert, Saatgut und Hunderttausende Landmaschinen zur Verfügung gestellt. Viele Ukrainer meldeten sich freiwillig zur Teilnahme am Kampf gegen die sowjetischen Truppen. Die Freundschaft zwischen Deutschen und Ukrainern hielt dennoch nicht lange, da durch die Auswahl völlig ungeeigneter Administratoren das Nationalgefühl der Ukrainer schwerstens verletzt wurde (Hans Meiser, „Deutschlands Abwehrkampf gegen den Bolschewismus“, Grabert, 2010).

Aus diesen geschichtlichen Zusammenhängen rührt das betonte Identitätsbewußtsein der Ukrainer. Sie legen den größten Wert auf die Eigenständigkeit ihrer Kultur, anerkennen aber selbstverständlich den Wert anderer Kulturen, etwa der russischen. Immerhin sind große „russische“ Dichter und Schriftsteller Ukrainer (etwa Nikolaj Gogol) Ukrainer. Sie sind also „Nationalisten“ im besten humanistischen Sinn, nicht Chauvinisten, die nur das eigene Volk als wertvoll und auserwählt sehen. Von der Waffenbrüderschaft mit den Deutschen und der tiefeingewurzelten Ablehnung des Kommunismus rührt auch die Existenz von ukrainischen Verbänden, die Runen als Abzeichen führen und als „Neonazis“ gelten, etwa der Einheit „Bataillon Azow“.

Putin bezieht sich auf diese Tatsachen, wenn er von der „Entnazifizierung“ der Ukraine spricht. Allerdings interessieren ihn in Wirklichkeit weder die Weltanschauung bestimmter Gruppen in der Ukraine, noch auch die Frage, ob die Ukrainer denn tatsächlich Teil des „dreieinigen russischen Volkes“ (Russen, Ukrainer Weißrussen) sind. Er stand infolge der aggressiven Politik der USA mit dem Rücken an der Wand. Putin sah sich zum Einmarsch gezwungen, weil die Aufnahme der Ukraine in die NATO die totale Erpreßbarkeit Russlands bedeutet hätte: Kernwaffenträger benötigen für den Flug Ukraine – Moskau nur noch 3 Minuten. Unter dieser Bedrohung hätte Russland jeder beliebigen Zumutung des „Westens“ stattgeben müssen, eine Art der „Bedingungslosen Kapitulation“. Die seit 2014 (Maidanputsch) US-hörige politische Klasse der Ukraine hat auf das Machtspiel der USA gegen die unabdingbaren Interessen Russlands gesetzt.

Dem „Westen“ geht es bei seiner Antwort auf Putins Einmarsch auch keinesfalls um die „arme kleine Ukraine“, ihre Freiheit, Identität und Unabhängigkeit. Dem „Westen“ geht es um die Unterjochung Russlands und die Zerstörung des Industriepotentials der EU (besonders der BRD) durch Sanktionen, Energieverteuerung und „Klimaschutz“. Für USA und NATO ist die Ukraine ein verachteter vergifteter Köder, um Russland (und die EU) zu treffen; gerade in der gleichen Weise, wie 1939 England&Frankreich Polen mißbraucht haben, um Deutschland unterjochen zu können.

 

 

1 Kommentar

  • Ich würde nicht sagen, dass ich mit allem einverstanden bin, was der Autor geschrieben hat, aber es ist kein schlechter Artikel.

    Luka 14.03.2022
    • Dem möchte ich mich hier mal anschließen. Ich teile die Ansichten des Autors überhaupt nicht, bin aber nicht so vermessen, zu behaupten, daß meine unbedingt richtig sein müssen und bin ihm dankbar dafür, daß er mir seine mitgeteilt hat.

      RW 14.03.2022
  • Mal ein radikaler Vorschlag: Einfach mal alles, was aus Amerika kommt, ignorieren, egal, ob es «Republikaner gegen Demokraten» oder «Demokraten gegen Republikaner» ist. Das sind nämlich beides amerikanische Parteien und keine hat die Absicht, den status quo in Mitteleuropa jemals zu ändern.

    RW 13.03.2022
  • Seit 2004 liegt die Grenze NATO – Rußland im Baltikum. Das ist noch viel näher, als die Ukraine, insofern ist das auf eine möglichen zukünftigen NATO-Mitgliedschaft der Ukraine aufgebaute Atomwaffenargument einfach nur Unsinn. Rußland ist hier Angreifer und nicht Verteidiger. Im übrigen kommt die WEF-Verschwörungstheorie, die hier via Zitat angesprochen wird, von der sogenannten amerikanischen Rechten.

    RW 13.03.2022
    • Klar ist Russland der Angreifer! Aber das atomare Wettrüsten hat das Gesetz, daß der (nicht geführte) A-Krieg als mit b. Kapitulation verloren gilt, wenn das Gleichgewicht nicht gewahrt bleibt. Selbstverständlich hat R. vehement protestiert, als das Baltikum alls US-Kolonie etabliert wurde. Aber Krieg gabs erst, als auch noch Ukraine+Georgien US-Gebiet werden sollten: Irgendwann ist Schluß!

      Dr. Gunther Kümel. 06.04.2022
  • Und die Ukraine wäre in 20 Jahren noch kein NATO Mitglied geworden, was sollen also diese Strohmannargumente, um Putins Krieg zu rechtfertigen? Der einzige, der mit Kernwaffen droht, ist außerdem der Stalin-Junior Putin und nicht etwa der Westen.
    Bisher hab ich hier nur Gutes zum Ukrainekonflikt gelesen, aber auf so einen Gastbeitrag kann man gut und gerne verzichten.

    Heinrich 13.03.2022
  • Absoluter Blödsinn, die Situation Russlands mit der des deutschen Reiches 1939 zu vergleichen. War Russland jemals durch etwas annähernd Vergleichbarem wie dem Versailler Diktat vorbelastet? Sie haben doch fast nahtlos an das Erbe der Sowjetunion angeknüpft, die Jelzin-Ära mal abgesehen.

    Heinrich 13.03.2022
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