Dem Sieg ein Stück näher – Irlands Nationalisten gewinnen die Wahl in Nordirland (+Video)

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Wer von der „Menschheit“ spricht, will bekanntlich betrügen. Entgegen der allgegenwärtigen Eine-Welt-Propaganda ist die Nation die bislang größte funktionierende Solidargemeinschaft. Der gegenwärtige Krieg zwischen Rußland und der Ukraine macht erneut deutlich, dass selbst ethnische, sprachliche und kulturelle Schnittmengen nicht ausreichen, um die natürlich gewachsene Grenzziehung der Volkszugehörigkeit vergessen zu machen.

Ein Nationalitätenkonflikt, der schon seit Jahrhundert schwelt, könnte in absehbarer Zeit an ein Ende gelangen, auf jeden Fall aber eine neue Stufe erreichen. Bei der jüngsten Regionalwahl in Nordirland wurde die irisch-nationalistische Sinn Féin zur stärksten politischen Kraft. Den irischen Nationalisten gelang es erstmals, die pro-britische protestantisch-unionistische Democratic Unionist Party (DUP) auf den zweiten Platz zu verweisen.

 

Auf dem Weg zur Wiedervereinigung

Das Ergebnis birgt Sprengkraft, und das nicht nur wegen der einst engen Verbindung zwischen Sinn Féin und der Irisch-Republikanischen-Armee (IRA). Sinn-Féin-Spitzenkandidatin Michelle O’Neill steht nun das Recht zu, den Posten der Regierungschefin zu beanspruchen. Kurz vor der Wahl forderte die Partei von der Republik Irland eine Planung für eine mögliche Vereinigung. Ein Datum für eine entsprechende Volksabstimmung in Nordirland soll laut Wahlprogramm in den kommenden Jahren bestimmt werden.

Bereits 1973 fand in Nordirland eine Volksabstimmung statt, bei der die Wähler sich zwischen dem Verbleib bei Großbritannien und dem Anschluss an die Republik Irland entscheiden konnten. Das Referendum fiel zugunsten des status quo aus, war jedoch vom katholischen Bevölkerungsteil aus Protest gegen die britische Besatzungspolitik fast vollständig boykottiert worden.

 

„We fought you for 800 years and we`ll fight for 800 more“

Katholische Iren gegen protestantische Briten – der Nationalitätenkonflikt dauert bereits seit Jahrhunderten an. Das Gedächtnis mancher Völker ist lang. Bereits ab 1169 wurde der östliche Teil Irlands von Engländern erobert und beherrscht. Nach der irischen Niederlage im Neunjährigen Krieg wurden systematisch Engländer, sowie protestantische Waliser und Schotten in Nordirland angesiedelt, was in relativ kurzer Zeit die weitgehende Enteignung der irischen Bevölkerung bedeutete. Erfolglose Aufstände seitens der katholischen Iren führten zu deren weiterer Entrechtung. Nach dem Sieg des protestantischen Königs Wilhelm III. von Oranien über den katholischen König Jakob II. in der Schlacht am Boyne 1690, wurden 1695 die sogenannten Strafgesetze (Penal Laws) erlassen, die die katholische Religionsausübung behinderten und protestantischen Landbesitz förderten. Ab 1728 besaßen Katholiken auch kein Wahlrecht mehr. Durch das Unionsgesetz von 1800 wurde Irland als Staat schließlich aufgelöst und ab 1801 in das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Irland überführt.

Doch die Iren gaben ihren Kampf um Selbstbestimmung nie auf. Nach 1890 begann ein intensiver Kampf um die eigene Identität. Eine Vielzahl an Denkern, Dichtern und Schriftstellern arbeitete daran, den Iren zumindest auf kulturellem Gebiet zu nationaler Einheit zu verhelfen. Es entstanden Organisationen wie die „Gälische Liga“, die sich der Pflege der gälischen Sprache annahm, der GAA als Bewahrerin der besonderen gälischen Sporttradition und das Irish Literary Theatre.

 

Bildquelle: Seth Whales / Wikipedia.org Michelle O’Neill mit Mary Lou McDonald und Gerry Adams beim Begräbnis von Martin McGuinness am 23. März 2017 in Derry

 

 

Sinn Féin – Wir selbst

Sinn Féin („Wir selbst“) als politische und kulturelle Sammlungsbewegung wurde am 28. November 1905 gegründet. Vorbild für die Partei und ihr Programm waren die Nationalbewegungen im Osten Mitteleuropas. „Gewinnt das eigene zurück, zerreißt die Ketten der Knechtschaft, nur wir selbst“, hieß es im ersten Kampflied der Bewegung.

Bei den Wahlen zum britische Unterhaus 1918 gewann Sinn Féin knapp 70 % der irischen Mandate. Wie im Wahlkampf angekündigt nahmen die Abgeordneten jedoch ihre Sitze nicht ein, sondern gründeten 1919 ein eigenes irisches Parlament und riefen, wie schon beim Osteraufstand, eine unabhängige irische Republik aus. Es war das erste irische Parlament seit 1801, das von den Briten umgehend für illegal erklärt wurde. In der Folge kam es zum irischen Unabhängigkeitskrieg von 1919 bis 1921. Der erfolgreiche Guerilla-Krieg der IRA führte zum Anglo-Irischen Vertrag von 1921, mit dem fünf Sechstel von Irland zunächst zu einem eigenständigen Irischen Freistaat innerhalb des British Empire wurden. Die übrigen sechs Grafschaften verblieben unter dem Namen Nordirland (Ulster) bei Großbritannien.

 

Mit Stimmzettel und Sturmgewehr

In den 1960er Jahren verfolgte Sinn Féin dem Geist der Zeit entsprechend vorübergehend einen marxistischen Kurs. Hierin dürfte die seltsame Bezeichnung der irischen Nationalisten als „Links-Nationalisten“ begründet liegen, die bis heute für Sympathien der doch sonst so anti-nationalen Linken sorgt. „No nation, no border“ lässt sich kaum mit dem militanten Streben nach Nationalstaat und eigener völkischer Identität vereinen. Trotzdem genügte der vorgebliche Linksschwenk, um dem nationalistischen Kampf der Iren ein positives Ansehen zu verpassen. „Glückwunsch: Sinn Fein ist stärkste Partei in Irland. Die Schwesterpartei der LINKEN verbesserte sich von 13,8 % auf 24,5% der Stimmen und ist erstmals stärkste Partei bei den Wählern“ lässt die Linkspartei in Köln verlauten. Man lese und staune!

In den 1970er Jahren verstand sich Sinn Feín zunehmend als politischer Flügel der IRA. Ein republikanisches Dokument der frühen 1980er bemerkte dazu: „Beide, Sinn Féin und die IRA, spielen unterschiedliche, aber konvergierende Rollen in diesem Krieg der nationalen Befreiung. Die Irish Republican Army führt eine bewaffnete Kampagne… Sinn Féin unterhält die Kriegspropaganda und ist die öffentliche und politische Stimme der Bewegung.“

Wahlerfolge im größeren Umfang und damit politische Macht erlangte die Partei aber erst nach dem Hungerstreik gefangener IRA-Mitglieder 1980/81 um den Sinn-Féin-Unterhauskandidaten Bobby Sands. Der Wahlkampf für ihn und sein Tod wenige Wochen nach der Wahl verschafften der Partei große Popularität. (Siehe: Todestag von Bobby Sands)

 

Quelle: Wikipedia / CC BY-SA 3.0

 

Ab dem Anfang der 1980er Jahre arbeiteten die irische und die britische Regierung intensiver zusammen, um im Nordirlandkonflikt eine politische Einigung zu erzielen. Die IRA verkündete letztlich 1994 eine unbefristete Waffenruhe unter der Bedingung, dass Sinn Féin in die politischen Gespräche für eine Lösung mit einbezogen würde. Seit dem Karfreitagsabkommen herrscht in Nordirland ein brüchiger Frieden.

Wie es in Nordirland weitergeht, bleibt jedenfalls durch den „Brexit“ und den jetzigen Wahlerfolg von Sinn Feìn spannend.

 

 

 

Lehren aus 100 Jahren Freiheitskampf

Interessant sind vor allem die Faktoren, die Irlands Nationalisten nach rund 100 Jahren intensivem Freiheitskampf in absehbarer Zeit zur Verwirklichung Ihres Ziels führen könnten:

 

1. Die Strategie des „Langen Krieges“

„We fought you for 800 years und we`ll fight you for 800 more“ heißt es in einem bekannten IRA-Lied. Es ist das Bewußtsein, dass in großen Konflikten keine kurzfristigen Erfolge möglich sind, sondern am Ende siegt, wer hartnäckiger und leidensfähiger ist. Die Strategie des so genannten „Langen Krieges“ war die Antwort auf die zahlreichen Versuche der Briten, die irische Nationalbewegung zu zerschlagen.

 

2. „Wir selbst“

Die Eigenbezeichnung der Sinn Féin macht deutlich, dass Hilfe von außen für den Schwachen gewöhnlich nicht zu erwarten ist. Daneben kann politisch nur gewinnen, wer auch einen Kulturkampf führt. Das Festhalten an der eigenen Volkskultur hat trotz jahrhundelanger brutaler Besatzungspolitik nicht nur die irische Identität bewahrt, sondern sogar dazu geführt, dass irische Volksmusik, irischer Volkstanz, irische Kneipenkultur in der ganzen Welt bekannt sind. Sogar Hollywood hat sich mit Filmen wie „Michael Collins“ der irischen Sache wohlwollend angenommen.

 

3. Image ist (fast) alles

Trotz des Terrors der IRA und der nationalistischen Zielsetzung hatte der irische Freiheitskampf ein gutes Image. Dazu mag auch beigetragen haben, dass die IRA zumindest versucht hat, der Gewalt einen begrenzenden Rahmen zu geben. Im „Green book“, einem Handbuch zur Einführung und Ausbildung neuer Rekruten, werden ausschließlich die nordirische Polizei (RUC) und die britische Armee zu legitimen Zielen erklärt. Weiter waren Bombenanschläge auf kommerzielle Ziele wie Geschäfte und Firmen ein zentraler Bestandteil der IRA-Kampagne. Hier ging es vorrangig nicht darum, Menschen zu töten oder zu verletzen, auch wenn es immer wieder Opfer unter Unbeteiligten gab.
Demgegenüber bestand ein Großteil der Aktionen protestantischer Milizen in willkürlichen Morden an katholischen Zivilisten. Allein zwischen 1974 und 1976 töteten protestantische Paramilitärs mehr als 300 Menschen. Das war nicht nur ethisch verwerflich, sondern sorgte auch für schlechte (internationale) Presse.

 

4. Politik und Militanz im Wechselspiel

In einem Bürgerkrieg, in dem die eine Seite über die Machtmittel des Staates verfügt und die andere nur über ihre ohnmächtige Wut, gelten andere Regeln als in lediglich von Wahlkämpfen geprägten Auseinandersetzungen. Zur Vermeidung von Mißverständnissen gilt das folgende ausschließlich für Nordirland oder vergleichbare Krisengebiete.

„Mit dem Stimmzettel in der einen und der Armalite (Anm.: bevorzugtes Sturmgewehr der IRA) in der anderen Hand“ fasste Sinn Féin auf einem Parteitag ihre Strategie zusammen. Je nach Erfolgsaussichten wurde der Fokus von der Politik auf die Gewalt verlegt und umgekehrt.

 

5. Demographie ist Völkerschicksal

Der Verbleib Nordirlands bei Großbritannien wurde seinerzeit mit der protestantischen und damit pro-britischen Bevölkerungsmehrheit begründet. Laut der letzten Volkszählung aus dem Jahr 2011 überstieg die Zahl der Protestanten in Nordirland die der katholischen Bevölkerung um nur noch drei Prozent. Jüngere Zahlen belegen, dass Katholiken in Nordirland inzwischen in jeder Bevölkerungsgruppe die Mehrheit stellen, abgesehen von der Gruppe der über 60-Jährigen.

Demographisch entscheidend ist natürlich die Jugend: Unter Kindern im schulpflichtigen Alter sind bereits 51 Prozent Katholiken und nur noch 37 Prozent Protestanten. Auch wenn die Trennung in irisch-katholisch-pro-Wiedervereinigung und britisch-protestantisch-pro-Großbritannien natürlich keine absolute ist, so ist die künftige Entwicklung relativ klar: Mit jedem Zuwachs der irischen Bevölkerung steigt das politische Gewicht der einstmals aus dem politischen und gesellschaftlichen Leben weitgehend Ausgeschlossenen. Die Zeit arbeitet für die Seite, die mehr gefüllte Wiegen aufweisen kann.

  • Ich will ein geeintes, freies Irland für das irische Volk. Sinn Féin hat nichts mehr mit Nationalismus zu tun, geschweige denn mit der dritten Position, sie sind nicht mehr das, was sie vor langer Zeit einmal waren. Sie wollen ein vereinigtes Irland, aber eines mit vielen „neuen Iren“ und der Demokratie, die wir überall in Europa sehen.

    Luka 27.05.2022
  • From Wikipedia:
    Sinn Féin is an Irish republican, democratic socialist and left-wing party. In the European Parliament, the party aligns itself with the European United Left–Nordic Green Left (GUE/NGL) parliamentary group.

    The party has supported mass immigration into Ireland, and has even stood black candidates in elections. One of its main demands recently was the legalisation of same-sex marriage to be extended to Northern Ireland. Sinn Fein is NOT a racial Nationalist organisation.

    Taylor 26.05.2022
    • Please, can you send us some links to the points you write.

      Redaktion 27.05.2022
  • Wenn man grade gelesen hat, daß die freilich schwule Partei … ähh, Verzeihung, freiheitlich-demokratische Partei wolle ich natürlich sagen, Deutschland endlich in ein modernes Einwanderungsland umwandeln möchte, damit man nicht mehr so tun muß, als ob die hereinstömenden Massen ernsthaft Asyl benötigten, stimmt einen das bitter.

    RW 26.05.2022
  • Man kann und darf hier parallelen zum Ukrainekrieg ziehen, denn das sind zwei ganz unterschiedliche Gegebenheiten.

    Wilhelm 26.05.2022
  • Sehr gut!

    Max Matthieß 26.05.2022
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