Am 19. Oktober gab es wieder einen interessanten Gast in unserer Räumlichkeit in Hilchenbach: Der ehemalige Krankenpfleger von Rudolf Heß sprach über seine Zeit mit dem Reichsminister bis hin zu seiner Ermordung.
Heß war kein gebrochener Mann
Der gebürtige Tunesier Melaouhi begann seinen Vortrag in einem voll besetzten Saal mit einer Schweigeminute für Rudolf Heß. Alle Anwesenden erhoben sich von den Plätzen und erwiesen Heß den verdienten Respekt. Danach begann Melaouhi zu erzählen, wie er als Tunesier als Krankenpfleger in einem Berliner Gefängnis gelandet war. Genauer gesagt war es das alliierte Militärgefängnis in Berlin-Spandau mit seinem markanten Eingangstor, in dem nach 1947 die bei den Nürnberger Schauprozessen Verurteilten untergebracht wurden. Heß hatte dort, nachdem Albert Speer und Baldur von Schirach 1966 entlassen wurden, die letzten 20 Jahre seines Lebens als einziger Häftling verbracht. Die letzten Jahre (von 1982 bis 1987) wurde er dabei von Melaouhi als seinem Krankenpfleger begleitet. Sie pflegten ein gutes Verhältnis zueinander und Heß attestierte ihm, ein großartiger Pfleger zu sein.
Melaouhi empfand Heß als freundlich und heimattreu. Trotz der düsteren Lage war Heß kein gebrochener Mann. Bei sportlichen Ereignissen, die er sich auf einem Fernseher ansehen konnte, sang er oft die deutsche Nationalhymne mit und war stolz, wenn deutsche Sportler einen Sieg errungen. Unfreundlich war er nur, wenn ein amerikanischer General zu ihm kam und ihn fragte, wie es ihm geht. Dann war seine Antwort: „Scheiße, warum sperrt ihr mich hier ein, hau ab!“ Zum Geburtstag schmuggelte Melaouhi ihm einen Pflaumenkuchen in die Zelle. Er versuchte stets, Heß das Leben in Gefangenschaft erträglicher zu machen. Doch die alliierten Wächter wurden misstrauisch und unterstellten ihm, eine persönliche Bindung zu Heß aufzubauen, was ihm bereits zu Beginn untersagt wurde (Heß wurde nur mit seiner Häftlingsnummer genannt). Doch er berief sich immer darauf, dass er nur seiner Aufgabe als Pfleger nachgehe. Melaouhi erhielt zudem heimliche Mitteilungen von Rudolf Heß, welche so aus der Kerkerhaft an die Öffentlichkeit gebracht werden sollten.
Heß wurde ermordet!
Am 17. August 1987 war dann alles anders. Melaouhi wurde plötzlich nach seinem Ausweis gefragt und kam nicht wie gewohnt einfach durchs Tor hinein. Ihm kam alles sehr komisch vor. Als er es geschafft hatte, reinzukommen und nach Heß zu sehen, fand er eine merkwürdige Situation vor. Diese stellte er bei seinem Vortrag mit Freiwilligen aus dem Publikum nach. So lag Heß leblos im Raum und drei Wächter standen um ihn herum. Sie verhielten sich merkwürdig, und die Antworten auf die Fragen von Melaouhi waren sehr knapp. Heß hätte sich erhängt. Doch Melaouhi, der den Gesundheitszustand seines Patienten gut genug kannte, war sofort klar, dass er das in dem hohen Alter nicht geschafft hätte. Auch die später untersuchten Wunden deuteten eher darauf hin, dass Heß erdrosselt wurde und sich nicht erhängt hat.
Melaouhi erinnerte sich an die Zeit, in der man überlegte, Heß freizulassen. Man wollte die Sowjets, die ebenfalls zur Gefängnisverwaltung gehörten, fragen, wohl in der Hoffnung, sie seien sowieso dagegen. Doch diese stimmten zu. Melaouhi fragte Heß, ob er sich denn nicht über diese Nachricht freue, doch dieser meinte nur: „Das ist mein Todesurteil.“ Die Alliierten hatten wahrscheinlich Angst, Heß würde zu viel erzählen, besonders über seinen Englandflug für einen Frieden, den die Briten mit ihrem Kriegstreiber Churchill niemals wollten.
Melaouhis Kampf für die Gerechtigkeit
Melaouhi, der Heß als seinen Freund ansah, will die offizielle Version zum Tod von Heß nicht akzeptieren. Er weiß, dass er ermordet wurde und will nicht eher ruhen, als bis die wahren Täter gestraft wurden. Er veröffentlichte sein Buch „Ich sah seinen Mördern in die Augen“, das er auch beim Vortrag persönlich signiert an Interessierte verteilte. In seinen weltweiten Vorträgen bestätigt er den Mordverdacht. Dieser Kampf hat jedoch seinen Preis. Melaouhi wird aus Vereinen geschmissen, überlebte einen fragwürdigen Autounfall und erhält bis heute Morddrohungen. Er selbst erklärt sich für unpolitisch. Ihm geht es darum, die Wahrheit zu sagen und Gerechtigkeit für seinen Freund Heß zu erstreiten. Doch dieser Kampf ist noch lange nicht vorbei, so Melaouhi, und es liegt nun an der Jugend, ihn weiterzuführen.
Großartig, dass ein Mann, der nicht einmal aus Deutschland stammt den Mut aufbringt und das Risiko eingeht um Gerechtigkeit und Warheit für Herrn Heß zu kämpfen.
Mein Respekt!