Jean-Marie Le Pen, ehemaliger französischer Politiker und Gründer des Front National, verstarb am Dienstag, dem 7. Januar 2025, im Alter von 96 Jahren in Garches, einer Stadt im Nordwesten von Paris. Le Pen gehörte jahrzehntelang zu den führenden Persönlichkeiten der französischen Rechten und machte sich einen Namen weit über die Grenzen Frankreichs hinaus.
Der 1928 als Sohn eines Fischers und einer Näherin in Trinité-sur-Mer geborene Le Pen wuchs in der Bretagne auf, woher seine Familie stammte. Nach dem Besuch der Jesuitenschule in Vannes, des Lycée in Lorient sowie in Saint-Germain-en-Laye studierte Le Pen Rechts- und Politikwissenschaften in Paris. Während seiner Studienzeit fungierte er zwischen 1949 und 1951 als Vorsitzender des Studentenbundes der juristischen Fakultät, der von ihm strikt antikommunistisch ausgerichtet wurde. Politisch stand Jean-Marie Le Pen zu dieser Zeit der monarchistisch-nationalistischen Action française nahe.
Nach der Beendigung seines rechts- und politikwissenschaftlichen Studiums trat Le Pen 1953 als Fallschirmjäger in die französische Armee ein. Die Einheit, in welcher er diente, wurde im Jahr darauf nach Ostasien verlegt, wo Le Pen die Endphase des Indochinakriegs miterlebte. Inzwischen zum Offizier avanciert, wechselte Le Pen zu den Fallschirmjägern der französischen Fremdenlegion. Sein Weg führte ihn nachfolgend nach Ägypten, wo er 1956 während der Suezkrise stationiert war. 1956/57 kämpfte Le Pen gegen die Front de Libération Nationale (FLN) im Algerienkrieg.
Jean-Marie Le Pen wurde im Rahmen der Nationalratswahlen am 2. Januar 1956 im Alter von 27 Jahren zum jüngsten Abgeordneten des französischen Parlaments gewählt. Als Mitglied der Union de défense des commerçants et artisans (UDCA), einer kleinbürgerlichen Protestpartei unter Führung von Pierre Poujade, leitete er zum damaligen Zeitpunkt die Jugendorganisation der Partei. Zwischen Oktober 1956 und Januar 1957 ließ er sein Abgeordnetenmandat ruhen, um am Algerienkrieg teilzunehmen. Vor dem Hintergrund der Suezkrise und dem Erstarken der FLN in Algerien kam es zu Richtungsstreitigkeiten zwischen Le Pen, der die UDCA radikal-nationalistisch und militant ausrichten wollte, und Poujade, welcher den moderaten Kurs der Partei beibehalten wollte. Le Pen wurde daraufhin im Mai 1957 aus der Partei ausgeschlossen und gründete die Front national des combattants (FNC).
Le Pen wurde im November 1958 erneut zum Abgeordneten der französischen Nationalversammlung gewählt. Hier schloss er sich der Fraktion Indépendants et paysans d’action sociale (IPAS) an, die dem Centre national des indépendants et paysans (CNIP) nahestand, einer gemäßigten Rechtspartei, die konservative und wirtschaftsliberale Ansichten vertrat. Die von Le Pen mitbegründete FNC wurde Anfang 1961 aufgelöst.
Nachdem Le Pen sich mit Jean-Louis Tixier-Vignancour überworfen hatte, dessen Präsidentschaftskandidatur im Jahr 1965 er maßgeblich unterstützte, gründete Le Pen 1972 die Partei Front National (FN), die später eine wichtige Rolle in der französischen Politik spielen sollte. Tixier-Vignancour, früherer Funktionär des État français (Vichy-Frankreich), scheiterte bei den Präsidentschaftswahlen und belegte mit 5,2 Prozent lediglich den vierten Platz.
Le Pen fungierte ohne Unterbrechung bis Anfang 2011 als Vorsitzender des Front National, den er stark auf seine Person ausrichtete. Die Gründung des FN erwies sich in den folgenden Jahren als voller Erfolg. Im Juni 1984 zog Le Pen und der FN erstmals in Europaparlament ein. Bis zum Jahr 2014 war der FN mit unterschiedlichen Stimmenanteilen bei allen Europawahlen erfolgreich, wobei 2014 mit 24,9 Prozent der Stimmen ein Höhepunkt erreicht wurde.
1986 zog Le Pen erneut in die französische Nationalversammlung ein, wo seine Partei FN gemeinsam mit Abgeordneten des CNIP die 35 Abgeordnete umfassende Fraktion Front national – Rassemblement national bildete. Der Wahlerfolg fußte vor allem auf dem vorübergehend geltenden Verhältniswahlrecht, das kleinere Parteien begünstigte. Nach der anschließenden Rückkehr zum Mehrheitswahlrecht blieb der FN bei den französischen Parlamentswahlen chancenlos.
Als größter Erfolg Le Pens gilt sein Einzug in die Stichwahl zur Wahl des französischen Präsidenten im Jahr 2002, wo er gegen den amtierenden Präsidenten Jaques Chirac antrat. Jean-Marie Le Pen lag mit 16,86 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang nur knapp hinter Chirac, der mit 19,88 Prozent der Stimmen das schlechteste Ergebnis eines zur Wiederwahl angetretenen Staatspräsidenten erhielt. Die Stichwahl, welche von einem breiten Bündnis von bürgerlichen und linken Parteien zu einer Art „Anti-Le-Pen-Referendum“ umfunktioniert wurde, gewann Chirac mit 82,21 Prozent der abgegebenen Stimmen.
Le Pens Tochter, Marine Le Pen, trat am 16. Januar 2011 die Nachfolge ihres Vaters als Vorsitzende des Front National an. Der Wechsel an der Spitze des FN markierte eine Zäsur in Bezug auf die politische Ausrichtung der Partei. Marine Le Pen strebte von Beginn an eine vermeintliche „Entdämonisierung“ des Front National an, um diesen für breitere Wählerschichten attraktiver zu machen. Sie distanzierte sich öffentlich wiederholt von den politischen Ansichten ihres Vaters, dem Marine Le Pen offenen Rassismus und Antisemitismus unterstellte. Die Tochter bootete ihren Vater in zunehmendem Maße aus und trat für eine Öffnung der Partei zur gesellschaftlichen Mitte ein. Wie weit sich Marine Le Pen von der Linie ihres Vaters entfernte, zeigt unter anderem ihre ostentative Distanzierung von der Alternative für Deutschland nach der Aufdeckung eines angeblichen „Geheimtreffens“ in Potsdam, das trotz offenkundiger Ungereimtheiten in der Berichterstattung des verantwortlichen Journalistenkollektivs „correctiv“ für Furore in der Presse sorgte. Wem die politischen Positionen der weichgespülten bürgerlichen AfD bereits zu „extrem“ sind, muss sich die Frage gefallen lassen, inwieweit die eigenen politischen Positionen überhaupt noch im politisch rechten bzw. nationalen Spektrum zu verorten sind. Marine Le Pen ist offenkundig bestrebt, den FN zu einer konturlosen und zeitgeistschnittigen Mittepartei umzuformen, auch wenn sie sich hierfür dem politischen Mainstream anbiedern muss.
Die Kontroversen zwischen Vater und Tochter entwickelten sich zu einer regelrechten Dauerfehde. Auf Betreiben Marine Le Pens setzte der FN im Mai 2015 die Parteimitgliedschaft Jean-Marie Le Pens aufgrund vermeintlich antisemitischer Äußerungen aus. Im August 2015 folgte schließlich der Parteiausschluss, der offiziell mit „schweren Verfehlungen“ begründet wurde.
Nach seinem Ausschluss aus dem Front National trat Jean-Marie Le Pen öffentlich als Kritiker der Politik seiner Tochter auf und versuchte, deren angestrebte politische Neuausrichtung des Front National zu bekämpfen. Seine Tochter setzte sich in den folgenden Jahren jedoch weitgehend durch und benannte den FN im Juni 2018 in Rassemblement National (RN) um.
Im Laufe seiner politischen Karriere wurde Jean-Marie Le Pen mehrfach wegen „Meinungsverbrechen“ von der französischen Justiz verfolgt. Zahlreiche Geldstrafen waren die Folge von Äußerungen Le Pens, die selbsternannte „Demokraten“ für inakzeptabel hielten und zur Anklage brachten.
Auch vor Gewalt schreckten politische Gegner Le Pens nicht zurück. So wurde am 2. November 1976 ein Bombenattentat auf Le Pens damaliges Mietshaus verübt. Nur durch Glück wurde niemand verletzt. Allerdings rissen die verwendeten zwanzig Kilo Sprengstoff einen großen Krater in das Treppenhaus. Die Täterschaft wurde nie ermittelt.
Nach einem Herzinfarkt 2023 verschlechterte sich Jean-Marie Le Pens Gesundheitszustand zusehends. Die letzten Wochen vor seinem Tod im Januar 2025 verbrachte er in einem Pflegeheim. Le Pen verstand sich selbst nie als rechten oder gar rechtsextremistischen Politiker, sondern machte sich die Maxime „ni droite, ni gauche, français“ (weder rechts noch links, französisch) zu eigen. In Paris und weiteren französischen Städten führten der begrenzte Horizont, die moralische Verworfenheit und Ehrlosigkeit linksextremer Wirrköpfe zu Jubelkundgebungen auf den Straßen, nachdem sich die Todesnachricht verbreitete.