Ein Baum mit schwachen Wurzeln wird keinem Sturm standhalten. Schon das Christentum beabsichtigte, uns von der Natur und ihren Kräften loszureißen. Heutzutage raubt uns der Kapitalismus den Heimatboden. Der Materialismus verschließt uns mit Konsumgütern den Blick für spirituelle Werte und der zunehmende Egoismus hat zur Folge, daß wir uns nicht mehr in die völkische Gemeinschaft und die Ahnenkette eingebunden sehen. Doch als orientierungslose Individuen sind wir dem Willen fremder Mächte schutzlos ausgeliefert.
Wir steuern auf den Volkstod zu, der unser kulturelles und biologisches Ende bedeutet. Die rein politische Auseinandersetzung mit dieser Gefahr wird keine Früchte tragen. Es ist nötig, ein ganzheitliches Denken und Handeln zu entwickeln, durch welches wir mit uns selbst und unserer Mitwelt im Einklang stehen. Solange wir die Kontrolle über unser eigenes Land noch nicht erlangt haben, müssen wir das im Kleinen ausleben und praktizieren, was dann im Großen umgesetzt werden soll. Die ganzheitliche Weltsicht umfasst alle Bereiche unseres Lebens, insbesondere auch die Religion (Re-ligio = Rückbindung) und die Spiritualität.
Das Jahr wird bestimmt durch die Umlaufbahn der Erde um die Sonne und die jeweilige Neigung der Erdachse. Daraus resultieren die vier Jahreszeiten und die in unseren Breitengraden deutliche Veränderung der Dauer von Tag und Nacht. Es ergeben sich vier Fixpunkte, die astronomisch bestimmt werden können. Die beiden Sonnwenden im Winter und Sommer und die Tagundnachtgleichen im Frühjahr und Herbst.
Schon vor vielen tausend Jahren, waren diese Termine von großer Wichtigkeit für unsere Vorfahren. Das zeigt sich unter anderem am Fund der Himmelsscheibe von Nebra (Alter ca. 4.000 Jahre) und der Entdeckung des Sonnenobservatoriums in Goseck (Alter ca. 7.000 Jahre). Die Jahreskreisfeste sind Wegweiser, die uns durch das Jahr geleiten. Sie geben uns die Gelegenheit, uns mit den Vorgängen in der Natur zu synchronisieren und lassen uns das Jahr bewusst erleben. So bietet der Jahreskreis mit seinen verschiedenen Feiern und Aspekten, für jedes menschliche Bedürfnis den richtigen Rahmen, zur richtigen Zeit.
Der Blick in die Lehren der Naturwissenschaft zeigt auf, was bereits unseren Vorfahren vor mehreren tausend Jahren bewusst war: Die Natur funktioniert in Kreisläufen. Ob Planetenbewegungen, Stoffwechselvorgänge oder ein Menschenleben. Das Prinzip des Werdens und Vergehens, der fortlaufende Zyklus von Geburt, Heranwachsen, Altern und Sterben ist allgegenwärtig. Wer sich diese Erkenntnis vor Augen führt und in sein tägliches Leben übernimmt, hat schon den ersten und wichtigsten Schritt hin zur Spiritualität geschafft. Wer aufmerksam durch den Alltag geht und die vielen kleinen und großen Kreisläufe bewusst begeht, hat sein Leben bereits deutlich bereichert. Nicht im Alltag aufzugehen und sich zu lösen von dem stets linearen Denken unserer Zeit, schafft Spielraum für ganz neue Erfahrungen. Eine spirituelle Lebensweise erfordert keine besondern esoterischen Kenntnisse. Es sind auch keine Zauberkräfte oder schamanischen Fähigkeiten nötig. Für den Anfang genügt der wache und aufmerksame Blick auf die Welt um sich herum und auf die Vorgänge in der Natur.
Der Begriff „Ritual“ wird oftmals missverstanden und falsch interpretiert. Ganz automatisch gehen wir bereits Ritualen nach, wenn ein Geburtstag gefeiert und zum Trinken angestoßen wird, oder die Familie abends gemeinsam am Küchentisch isst. Es sind die feststehenden und immer wiederkehrenden Punkte in einem Zyklus, die durch ein Ritual manifestiert werden, um ihre Wichtigkeit zu verdeutlichen. Rituale geben uns halt, sie schaffen Ordnung und eine vertraute Atmosphäre. Der Verlauf eines Jahres wird viel bewusster wahrgenommen, wenn man den Lauf der Sonne verfolgt. Dabei spielen die zwei Sonnenwenden und die beiden Tagundnachtgleichen eine ganz besondere Rolle. Diese vier Fixpunkte weisen wie Leuchttürme den Weg durch das Jahr.
Es stellt sich die Frage wie die Sonnenfeste begangen werden können. Zunächst sollte das Fest, also das Naturereignis als solches wahrgenommen, geschätzt und gefeiert werden. Das kann im persönlichen Bereich beispielsweise dadurch passieren, daß die Wohnung dementsprechend geschmückt wird, oder kleine Opfergaben in Verbindung mit einem Ritual im Wald dargebracht werden. Eine ganz neue Dimension eröffnet sich, wenn diese Feste nicht nur allein, sondern in einer Gemeinschaft begangen werden. Dadurch bekommt der Anlass eine neue Qualität, denn es lassen sich mit einer Gruppe Dinge realisieren, von denen man alleine nur träumen kann. Doch auch schon ganz ohne großen Aufwand ist es möglich, wunderschöne, gemeinsame Ritualerfahrungen zu sammeln.
In einem zweiten Schritt stellt sich dann die Frage, mit welchem mythologischen oder spirituellen Hintergrund die Feier begangen werden soll. Ob in keltisch/germanischer Tradition, als Wicca oder einfach nur als moderne aber naturverbundene Menschen. Das Motiv dahinter ist jedes Mal das gleiche: Es wird versucht, in Einklang mit der Natur zu kommen und sich mit seiner Umgebung zu synchronisieren. Unangebracht erscheint es allerdings, wenn versucht wird, dem Fest durch Einflüsse ferner Kulturen eine besonders exotische Note zu verleihen. Wer seiner Heimat näher kommen will, orientiert sich am besten an der Geschichte seiner Region. Sagen und Mythen dieser Gegend, noch erhaltene Fragmente aus vorchristlichen Zeiten und die Bräuche der Alten passen am besten zur Umgebung, der sie entsprungen sind.
Die Frühjahrs Tagundnachtgleiche ist die Zeit des Erwachens in der Natur. Die ersten warmen Sonnenstrahlen, frisches Grün wohin man blickt und in der Tierwelt beginnt ein emsiges Treiben. Es ist die Zeit, in der erste Frühjahrsspaziergänge oder rituelle Flurbegehungen unternommen werden. Der Winter kann symbolisch verabschiedet werden, indem man bei einem Kreisritual auf dem Feuerstoß einen Wintergeist verbrennt. In einem Mysterienspiel kann sinnbildlich ein Kampf zwischen Frühling und Winter ausgetragen werden, der das Ringen des Lichts mit der Dunkelheit in dieser Zeit widerspiegelt.
Sämtliche Pflanzen sprießen nun wieder und auch in der Tierwelt ist der Frühling die Hauptsaison für Geburten. Mit dem Ostarafest wird diese vielfältige Geburt neuen Lebens gefeiert und auch die wichtigste Grundlage des Lebens, das Wasser und insbesondere Quellen, verehrt. Beide Wörter haben auch eine gemeinsame sprachliche Wurzel. „Born“ ist ein altes deutsches Wort für Brunnen (z. B. Lebensborn); im Englischen heißt “born” geboren. Gemeint ist also jeweils ein Ursprung von Leben bzw. von Wasser, was wiederum schicksalhaft miteinander verbunden ist. Im germanischen und slawischen Raum gibt es eine Vielzahl von Bräuchen rund um das Element Wasser in dieser Jahreszeit. Beispielsweise ist es verbreitet, daß Frauen noch vor Sonnenaufgang, also zur Geburt des Tages, schweigend zu einer Quelle gehen, um dort Wasser zu schöpfen. Diesem Ostarawasser wird eine besondere Bedeutung zugeschrieben und es findet bei weiteren Ritualen im Jahreskreis Anwendung. Im ländlichen Raum sieht man noch häufig geschmückte Brunnen oder verzierte Weidenbögen über Bächen, mit denen die Wichtigkeit des Wassers betont wird. Im kameradschaftlichen Kreis eignet sich in diesen Tagen beispielsweise eine gemeinsame Wanderung zu einer Quelle, an der dann kleine Opfergaben wie etwa bunte Eier abgelegt werden und ein Horn mit frischem Quellwasser durch die Runde gereicht wird.
Die Bezeichnungen Ostern und Ostarafest rühren von der heidnischen Göttin Ostara bzw. Eostra her. Ihre mythologische Herkunft steht nicht eindeutig fest, sie steht aber im engen Zusammenhang mit der Mutter Erde und versinnbildlicht einen typisch weiblichen Aspekt. In dieser Jahreszeit ist dazu natürlich auch ein männlicher Gegenpol nötig, der befruchtend auf die Mutter Erde einwirkt. Diesen maskulinen Part kann man sich in Form des Himmelsvaters vorstellen. Daher stammen auch Symbole wie der Maibaum, die ein Phallussymbol darstellen und vom Himmel in die Erde eindringen. Auch in Thor und dessen südgermanischer Entsprechung Donar kann der männliche Aspekt gesehen werden. Er, der Donnergott und Freund der Bauern, reitet in seinem Wagen über das Land und weiht und befruchtet es mit seinem Hammer Mjölnir bzw. der Keule. Vieles deutet darauf hin, daß auch dieses, sonst profane Werkzeug, ein Phallussymbol darstellt. So wird in der Edda geschildert, wie der Hammer bei einer Hochzeit der Braut zur Spende von Fruchtbarkeit in den Schoß gelegt wird. Hammer bzw. Keulen wurden in vorchristlichen Zeiten nahezu ausschließlich von Frauen als Amulett getragen, was Grabfunde belegen. Männer sollten die damit verbundenen Eigenschaften naturgegeben selbst repräsentieren.
Auch in diesem Jahr trafen sich wieder Mitglieder und Freunde des „III. Weg“-Stützpunktes Schwaben zur jährlichen Ostarawanderung am Vormittag des 21. März 2015. Im Kreise der Familien und Kameraden zogen wir bei Sonnenschein los, um eine nahegelegene Quelle aufzusuchen. Dort angekommen, wurde der Ort mit vielen Gaben geschmückt und das Ostararitual abgehalten. Nach einem gemeinsamen und reichhaltigen Frühstück an der Quelle begab man sich wieder auf den Rückweg. Auf diese Weise gestärkt, kann man sich so voll Zuversicht auf das zweite Jahresviertel 2015 freuen.
Heil dem Frühling und der Schaffenskraft, dem Erwachen und der Erneuerung!