Buchrezension: Dominique Venner – Das rebellische Herz

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„Algerien schien die Fackel zu sein, mit er es möglich war, Frankreich und ganz Europa zu entzünden.“ Der Mann, der diese Worte schrieb, war kein am Schreibtisch sitzender Schriftsteller, kein Parteipolitiker oder bezahlter Schreiberling, sondern ein militanter Revolutionär in den „bleiernen Jahren“ der französischen Nachkriegszeit.

Dominique Venner, in Deutschland vor allem durch seinen Suizid im Notre Dame bekannt, erlebte die revolutionären Jahre des französischen Nachkriegsnationalismus in seiner Jugend mit und war selbst Akteur in seinen prägendsten Momenten. Als junger Freiwilliger kämpfte er in Algerien, weniger um ein französisches Algerien zu bewahren, als mehr um ein algerisches Frankreich zu verhindern. Dort erlebte er die Unzulänglichkeiten der französischen Kriegsführung, den Verrat der Regierung, das erdrückende Schicksal der Algerien-Franzosen und schließlich auch den mangelnden Rückhalt in der Heimatfront.

Venner schreibt in seiner autobiografischen Rückschau nicht nur über seine eigenen Erlebnisse in den algerischen Bergen, sondern schreibt auch ein Stück europäische Geschichte auf, das besonders in Deutschland unbekannt ist. Doch es ist nicht einfach nur ein Stück Geschichte, sondern auch seine Geschichte und die vieler, bekannter und unbekannter, europäischer Revolutionäre. Venner erzählt von Algerien-Franzosen, die, verraten von der eigenen Regierung, ihr Recht in die eigenen, bewaffneten, Hände nehmen, er beschreibt die Verschwörungen und Aktionen der Organisation de l’armée secrète (OAS), die schlussendlich scheiterten, und vor allem beschreibt er junge Männer in ihrem revolutionären Handeln.

Obwohl autobiografisch, geschieht dies alles aus einer mehr beobachtenden Rolle, die Ethos und Gefühle der Akteure wichtiger erscheinen lässt als das eigentliche politische Ziel – gab es bei einigen überhaupt eines? – oder konkrete Taten. Er beschreibt die Abenteuer der letzten französischen Generation, „welche die männliche Seite der Existenz kennenlernen durfte“ – ein Privileg in Venners Augen. Und das, obwohl der Krieg in Algerien kein Krieg im herkömmlichen Sinne war, sondern die ersten Vorboten der heute bekannten asymmetrischen Kriegsführung beinhaltete. „Dass der Krieg in Algerien kein „sauberer“ Krieg war, wussten wir sehr gut. Aber es waren nicht wir, die entschieden, daraus einen „schmutzigen“ Krieg zu machen. Wir sind allein durch unsere strikte militärische Pflicht vor den Mord an Unschuldigen, vor den Terrorismus, vor den Hass gestellt worden. Was konnten wir dafür? Wir konnten nur dagegenhalten oder kapitulieren. Und Letzteres kam, eine Zeit lang, nicht infrage. Wir töteten auf Befehl und aufgrund von Notwendigkeit, aber wir sahen manchmal das Töten auf grausame Weise“, so Venner.

Dennoch sollte der Krieg in Algerien verloren gehen, nicht militärisch, aber moralisch-politisch. Das Aufbäumen der OAS dagegen, die Bombenanschläge und Attentate, konnten die Niederlage nicht mehr abwenden. Venner erkannte, dass der Widerstand nicht aus dem Militär kommen musste, sondern politisch bestritten werden musste. So wurde er, der Soldat, militanter politischer Kämpfer, zunächst der revolutionären Bewegung Jeanue Nation, bevor er später seine eigene Gruppe Europe-Action gründete. Spannend und mitreißend berichtet Venner von den Kämpfen der französischen Revolutionäre dieser Zeit, Kämpfe, die heute oftmals vergessen und unbekannt sind.

Er beschreibt nicht nur die politische Vorgehensweise, sondern insbesondere auch die Auseinandersetzungen mit der militanten französischen Linken. Wie zuvor bleibt allerdings auch hier einiges ungenau und im Nebel und auch Venners eigene Rolle bleibt oft nebulös. Dem aufmerksamen Leser bietet das Buch daher nicht nur einen überaus interessanten Einblick in die Geschichte der revolutionären Nachkriegsnationalisten, sondern eröffnet – einmal in die Materie eingetaucht – genauso viele neue Fragen. Die deutsche Erstveröffentlichung kommt zudem in einem würdigen halbleinen Einband daher, der das Werk auch äußerlich aus der Masse herausstechen lässt. Zusammen mit der positiven Kritik von Venner besteht nunmehr für junge Aktivisten erstmals die Möglichkeit, sich mit Wirken und Denken des Franzosen vertraut zu machen. Der französische Schriftsteller und Veteran Jean Mabire, Veteran und Freund Venners, schrieb im November 1994 über das „rebellische Herz“:

Als ich sein kleines Buch bekam – zweihundert Seiten, die man in einem Stück durchliest – dachte ich zugleich, der Verleger habe, vermutlich unbewusst, jenes Feingefühl respektiert, das im Verborgenen lag und von dem die ihm Nahestehenden wussten: unter dem grellen »Umschlag« verbarg sich der wahre Einband, wunderschön, mit einer tragischen Zeichnung von Paul A. Weber versehen. Ebenso entdeckt man bei Venner hinter dem Aktivisten, dem Kampfeslustigen, dem Scharfmacher, als den ihn die meisten Leute betrachten, einen geheimnisvollen, ästhetischen und genussbereiten Mann.

Es gibt bei ihm, das ist bekannt, teutonische und landsknechtliche Elemente. Mit einem aus der Tiefe stürmischer Zeiten kommenden Hang zum kalten Stahl eines guten Schwertes, zweischneidig und mit beiden Händen zu führen.
Aber auch die Wälder, die Sonne, die Fanfaren, die Damen. Man stellt ihn sich germanisch vor und entdeckt plötzlich eine fröhliche französische Art an ihm: die Trommeln und Pfeifen der Royal-Picardie, die Säbeltasche in der man die Vorposten der leichten Kavallerie von General de Brack aufbewahrt, um sie abends im Biwak zu lesen, zwischen Reiten und Gelage.

[…]

Die Freunde von Europe Action, tapfere kleine politische Soldaten, die alle ihre Lektion aus einem der Niederlage geweihten Aktivismus gezogen hatten, bildeten eine Elite. Ich würde sogar sagen, einen Orden. Sie waren der Schmelztiegel, aus dem nicht wenige spätere Initiativen flossen, ungeachtet des Erfolgs oder Misserfolgs: der Mouvement nationaliste du progrès [Nationalistische Fortschrittsbewegung], der Rassemblement européen de la liberté [Europäische Freiheitsversammlung], das Institut d’études occidentales [Institut für abendländische Studien], der Groupement de recherche et d’études pour la civilisation européenne [Forschungs- und Studiengruppe für die europäische Zivilisation].

[…]

Das wunderbare Buch von Dominique Venner, hervorragend im Sinne einer Etymologie des Furchterregenden und gar Gefährlichen, erklärt uns eine Persönlichkeit mit ihrem Elan und ihren Visionen. Es ist weit mehr als ein Zeugnis. Es ist ein Blitz in einer sturmschwangeren Nacht.

Der Schwertträger ist zum Fackelträger geworden.

 

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