Von Prof. Dr. Franz M. Wuketits
Franz Wuketits war ein österreichischer Zoologe, Evolutionsbiologe und Wissenschaftstheoretiker und verstarb im Juni 2018 im Alter von 63 Jahren.
Er studierte Zoologie, Philosophie und Wissenschaftstheorie und beschäftigte sich mit der evolutionären Erkenntnistheorie und philosophierte über biologische Themengebiete.
Franz Wuketits war ein interdiziplinärer Denker, der seine Fragen aus unterschiedlichen Blickwinkeln verschiedener Wissenschaftszweigen speiste. Er war kein unbekannter Wissenschaftler. Mir fiel er das erste Mal in einer Fachdokumentation in „Das Tier im Menschen: Triebe- Reize- Reaktionen“ auf. Hier referierte er über Leben und Werk von Konrad Lorenz. Sein sympathisches Auftreten und fachkompetente Ausführungen veranlassten mich dazu, mich weiter mit den Werken dieses Wissenschaftlers zu beschäftigen.
Franz Wuketits war Vorstandsmitglied in dem „Konrad-Lorenz-Institut für Evolutions- und Kognitionsforschung“, eine Forschungseinrichtung, welche sich mit theoretischer Biologie beschäftigt, eine Denkfabrik sozusagen, sowie vieler weiterer Stiftungen und Akademien.
Er war Mitbegründer von „Mein Veto“, einer Initiative von Bürgern, die sich gegen die Bevormundung Seitens des Staates wehrten. Als Beispiel hierfür nennt die Initiative auf ihrer Seite u.a. die „Alkoholverbote an öffentlichen Plätzen“. Er selbst führte im „STANDARD“ aus, dass der Kontrollwahn der Politik die Bürger immer weiter entmündigen würde und dies auch im privaten Lebensbereich.
Hier erkennen wir seine stark liberalistische Auffassung, die sich als persönliche Anmerkungen in seinem Werk wieder findet.
Zum einen ein fachkompetenter, tiefsinniger, interdisziplinär denkender Evolutionsbiologe zum anderen ein diskussionsfreudiger jedoch kulturpessimistischer Liberalist.
Er hinterlässt uns über 500 Aufsätze sowie über 40 Bücher, die uns in etlichen Wissenschaftsgebieten begegnen werden.
Wuketits war ähnlich Konrad Lorenz ein Gesellschaftskritiker, ein Kritiker unserer Zivilisation. Ausgehend von ihren fachlichen Qualifikationen als Evolutionsbiologen analysierten sie die gesellschaftliche Entwicklung und zeigten Fehlentwicklungen auf. Die Gedanken Lorenz finden sich in dem Werk „Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit“ In eine ähnliche Kerbe schlägt das Werk welches ich euch vorstellen möchte.
Zivilisation in der Sackgasse: Plädoyer für eine artgerechte Menschenhaltung
Das gebundene Buch besteht aus 262 Seiten, ist übersichtlich in einzelne Kapitel und Unterkapitel gegliedert und liest sich flüssig, auf Fachbegriffe und trockene Theorie wurde verzichtet. Es gibt sieben Kapitel in denen er, angefangen mit der Naturgeschichte des Menschen, über die kritische Auseinandersetzung mit der heutigen Zivilisation und seinen Widersprüchen mit der Natur, über die Beleuchtung der Bedeutung für das einzelne Individuum, bis zur persönlichen Schlussfolgerung und Zielstellungen für einen Wandel unserer Gesellschaft, spricht.
Wuketits These lautet, dass die Zivilisation, in der wir heute leben, uns in einer Sackgasse führen wird, da das moderne Leben nicht mehr „artgemäß“ sei. Das meint, dass die Natur des Menschen, unsere angeborenen Verhaltensweisen und Bedürfnissen aus unserer evolutionären Stammesgeschichte, immer weniger berücksichtigt werden.
So wird die Zivilisation, die wir selbst schafften, immer menschenfeindlicher. Zum Beispiel sieht er in der Entwicklung der Globalisierung, neben der wirtschaftlichen Komponente, eine Sackgasse, da wir unserer Natur entsprechend geborene Kleingruppenwesen und keine Weltbürger sind:
„[…] haben sich alle Grundmuster unseres sozialen Verhaltens in Kleingruppen entwickelt. So funktionierte auch das Prinzip der Gegenseitigkeit zunächst nur in kleinen und gut überschaubaren sozialen Verbänden. Je fester die Angehörigen eines solchen Verbandes aneinandergekittet waren, desto besser konnten sie sich gegenüber anderen, mit ihnen konkurrierenden Gruppen behaupten. So entstand das Wir-Gefühl, das Gefühl der Gruppenidentität, das sowohl für das Individuum als auch für seine Gruppe von elementarer Bedeutung war – und bis heute geblieben ist.“
Seine These, die neben ihm viele andere Wissenschaftler teilen: Masse fördert Einsamkeit! Ein Mensch sei von Natur aus nicht in der Lage zur gesamten Menschheit einen vertrauten, innigen Bezug aufzubauen. Er wird immer zuerst denen gegenüber Loyalität beweisen, denen er am nächsten steht. Das hat über Jahrtausende der Menschheitsgeschichte das Überleben von Völkern und Kulturen gesichert.
Wuketits sieht die Globalisierung eher als modernen Imperialismus und Kolonialismus.
„Im Namen der Globalisierung werden natürliche Lebensräume vernichtet, die kulturelle Vielfalt nivelliert und das Lokalkolorit von Städten und Regionen zerstört. Kleine Betriebe müssen Großkonzernen weichen, die mit ihren Produkten die ganze Welt überfluten und sich in jedem Winkel ihre Monopolstellung zu sichern versuchen. Es ist höchste Zeit zu erkennen, was sich hinter der Globalisierung versteckt: ein Mythos, mit dessen Hilfe sich einige wenige auf Kosten vieler Menschen bereichern. Politische Eliten – oder die, die sich für solche halten – und Manager von multinationalen Konzernen schwadronieren vom „globalen Dorf“. Sie wollen damit die vielfältigen sozialen und kulturellen Lebensformen auf unserem Planeten in einen Einheitsbrei verwandeln und alle anderen Menschen einen uniformen Lebensstil aufzwingen – ohne daran zu denken, dass das nicht unbedingt in deren Interesse liegt.“ (S. 164) Und weiter: „Grenzenloses Wachstum widerspricht nun einmal allen Naturgesetzen.“ (S. 184)
Als einen weiteren Gegenspieler zur Natur des Menschen, sieht Wuketits die Beschleunigung in allen Lebensbereichen. Hierzu schreibt er: „Das Ausmaß in dem heute viele Menschen „stressigen Situationen“ ausgesetzt sind, geht über das Erträgliche hinaus und wird unserer Art nicht mehr gerecht.“ (S. 147) Er plädiert für eine Entschleunigung, für ein artgemäßes Leben.
Der Mensch befindet sich, laut Wuketits, auf dem direkten Weg in eine Sackgasse der Evolution: „Keine Art von Lebewesen ist „perfekt“, in der Evolution gibt es nur das relative Optimum – und auch das meist nur vorübergehend. Sonst wäre unverständlich, dass seit der Entstehung des Lebens auf der Erde vor beinahe vier Jahrmilliarden schätzungsweise eine Milliarde Arten ausgestorben sind. […] Homo sapiens keine Ausnahme darstellt, dass er sich aus dem „großen Lebensstrom“ nicht herauskatapultieren und demzufolge genauso verschwinden kann wie die unzähligen Arten in der Erdgeschichte vor ihm.“ (S.89/90) Und weiter: „Wohin ist unsere Zivilisation abgebogen? Sie hat sich von den natürlichen Anlagen des Menschen als biologisches und soziales Wesen offenbar schon ziemlich weit entfernt und könnte uns bald zum Verderben werden.“ (S. 63)
Was bereits nach den ersten Kapiteln rasch auffällt: Er nimmt immer Bezug zum Dritten Reich und das grundsätzlich immer in persönlicher Haltung der Ablehnung. In keinem Kapitel darf der Hinweis auf den „Superschurken“ Hitler fehlen.
So fragt sich der in diesem Zusammenhang schmunzelnde Leser, wie er denn in dem Kapitel 5: „Eine fatale Beschleunigung“ den Hitler integrieren wird. In diesem Kapitel geht es um „Das Ende der Langsamkeit“ und „Der Beginn des Geschwindigkeitswahns“ in dem der technische Fortschritt, schnelles Essen und Burnout thematisiert wird, also ein Thema, welches nicht wirklich mit Hitler assoziierbar ist.
In den Ausführungen über das Schlafverhalten finden wir dann auch den Hitler. Wuketits kommt zur Überzeugung, dass die Generationen vor uns noch länger geschlafen hätten und philosophiert über individuelles Schlafbedürfnis, welche sich unterscheiden. So soll der Hitler nur 2 Stunden pro Tag geschlafen haben. Wuketits wünschte sich, dass der Hitler doch bloß sein ganzes Leben verschlafen hätte.
Tja, so hat jeder seinen übermächtigen Superschurken den man überall, in allen Gedankengängen, zu jedem Themengebiet, einbezieht. Als absolut freiheitsliebender Mensch, der sich von keinem bevormunden lassen möchte und somit fordert, den Saat gänzlich abzuschaffen, ist Hitler logischerweise der Gegenspieler, der mit seiner Politik nicht das Individuum, sondern das Volk in den Mittelpunkt rückte. Das sind zwei politisch-weltanschauliche Grundsätze, die sich hier entgegen stehen: „Eigennutz geht vor Gemeinnutz“ oder „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“. Anhand dieser Grundeinstellungen werden folglich unterschiedliche Handlungsempfehlungen ausgesprochen, inwieweit der Staat durch Regeln, Gebote und Verbote in das Leben der Bürger eingreifen solle. Eine solche Frage ist zum Beispiel das Thema „Rauch- und Alkoholverbot an öffentlichen Plätzen“. Für die einen ist das freie Selbstbestimmung, für die anderen wohlmöglich ein gemeinschaftsschädigendes Verhalten, zum Beispiel wenn alkoholisierte Personen rumpöbeln und andere Bürger durch Passivrauch geschädigt werden.
Dass er seine eigene Meinung stark einfließen lässt, muss man einfach überlesen, wenn man den fachlichen Kern herauskristallisieren möchte.
Dennoch sind seine fachlichen Ausführungen und Erkenntnisse schlüssig, nachvollziehbar und decken sich größtenteils mit den Ergebnissen vieler Wissenschaftsbereiche, die wir ebenfalls vertreten und bei Entscheidungen und Zielsetzungen miteinbeziehen.
Zusammenfassend sei gesagt, dass dieses Werk keine Lösung heutiger Probleme aufzeigt, es ist vielmehr eine gute Sachanalyse. Wir begreifen durch dieses Werk, auf welchen Ebenen unsere Art zu leben scheitern muss, und wir erfahren, weshalb unsere heutige Zivilisation nicht unserer natürlichen Veranlagung entspricht, wir erkennen, wo genau eine Veränderung geschehen muss. Passende Lösungsansätze werden durch Wukeits für Liberale aufgezeigt, die nicht die unsrigen Lösungsansätze sind.
Den Staat sieht er als überflüssige Instanz an, die nie im Sinne seines Volkes handeln wird. Hier gehen unsere Ansichten stark auseinander. Wir sind der Ansicht, dass ein souveräner Staat von Nöten ist, der selbstbestimmt, im Sinne des Volkes und seiner Gesundheit zu handeln hat und keinen Selbstzweck darstellt, daher ist das letzte Kapitel für unsere Zwecke zu vernachlässigen.
Weltanschaulich und wissenschaftlich gefestigte Vielleser sind anscheinend für dieses Werk nicht die angesprochene Zielgruppe, für diese ist das Buch vermutlich zu oberflächlich, da kaum noch nicht bekannte Themengebiete angesprochen werden, und keine für uns passende Lösung aufgezeigt wird.
Allerdings ist es als Erstkontaktwerk für biologische Gesellschaftskritik geeignet, geeignet um Leute „aufzuwecken“ und um diese an ein lebensrichtiges Menschen- und Weltbild heran zu führen, fern von den dogmatischen Ideologien, welche die menschliche Natur nicht berücksichtigen, die uns heute in eben diese Sackgasse befördert haben.
Unser Frauenblog ,,Weggefährtin“ ist eine monatlich erscheinende Kolumne von Frau zu Frau in unterschiedlichen Ausprägungsformen auf der Netzseite des III Wegs, die unser Wirken und Sein innerhalb der Partei ergänzend darstellt.
Bei Interesse: [email protected]