Lange ist Brasiliens neuer Präsident Jair Bolsonaro noch nicht im Amt – am 1. Januar trat er dieses erst an – und schon jetzt kommen die ersten Zweifel auf, ob die Lobpreisungen, mit denen er von Nationalisten und Populisten aus der ganzen Welt überhäuft wurde, berechtigt waren.
Schon vor seinem Amtsantritt war Bolsonaro schwierig zu beurteilen (wir berichteten ausführlich: Teil 1, Teil 2), doch mit seiner neusten Ankündigung, die Stationierung von US-Truppen in Brasilien in Betracht zu ziehen, begibt er sich als selbst ernannter Nationalist auf sehr dünnes Eis.
Als Grund für diese Erwägungen gab Bolsonaro den Einfluss Russlands auf das sozialistische Venezuela an. In Washington zeigte man sich Medienberichten zufolge bereits „hocherfreut“ über diese Möglichkeit. Entschieden ist allerdings noch nichts und Bolsonaro sagte, die Zukunft werde zeigen, ob das Thema noch einmal diskutiert werden müsste.
Überrascht über Bolsonaro Bemerkung zeigte sich das brasilianische Militär, bei dem der Nachrichtenagentur Reuters zufolge diese für alles andere als Begeisterung gesorgt habe. Reuters beruft sich dabei auf einen hohen Militärvertreter, nach dem das Militär mit einer Stationierung von US-Truppen nicht einverstanden wäre. Auch das Verteidigungsministerium gab an, nicht über Bolsonaros Erwägungen informiert zu sein.
Die Unstimmigkeiten zwischen Bolsonaro, dem Militär und Teilen seiner Regierung sind ein nicht zu unterschätzender Hinweis auf die Machtverhältnisse innerhalb Brasiliens, denn in der Vergangenheit spekulierten nicht wenige ohne Grund darüber, ob Bolsonaro nicht eine Marionette des Militärs sein könnte. Bolsonaro hatte selbst den Rang eines Hauptmanns inne, galt als Favorit der Armee und besetzte etliche Posten und Ämter mit Ex-Militärs. Der Vier-Sterne-General Augusto Heleno gab sogar bekannt, dass schon seit längerer Zeit eine Gruppe von Generälen der Reserve bestehe, die sich mehrmals in der Woche trifft, um Vorlagen für Bolsonaros Regierung zu erarbeiten.
Ohne zu sagen, dass damit Vermutungen in diese Richtung gänzlich aus der Welt geräumt seien, ist dies doch ein Indiz dafür, dass die Beziehung zwischen Bolsonaro und dem Militär vielleicht doch nicht so eng ist, wie einige vermuteten.
Für einen Nationalisten sollte es eigentlich nicht infrage kommen, fremde Truppen im eigenen Land zu stationieren, doch betrachtet man Bolsonaros Ankündigung in Bezug auf seine Außenpolitik, so passt diese leider nur allzu gut zu seinen bisherigen Versprechen. So bekannte er sich nicht nur öffentlich als Fan Donald Trumps und schlug sich im Nahostkonflikt auf die Seite Israels, sondern zog auch bereits in Erwägung, aus dem BRICS-Bündnis (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) auszusteigen. Ebenfalls erwähnenswert ist die Tatsache, dass US-Außenminister Mike Pompeo bei Bolsonaros Amtseinführung anwesend war, wobei er sagte, dass die USA und Brasilien die Gelegenheit hätten „autoritären Regimen gemeinsam etwas entgegenzusetzen“. Dies ist aller Wahrscheinlichkeit nach eine Anspielung auf Venezuela.
Was Bolsonaro mit einer Annäherung an die USA bezwecken will, muss sich erst noch zeigen, doch seine Ankündigungen, Brasilien zu alter Größe aufzurichten, könnten darauf hindeuten, dass er versuchen könnte, sein Land im Windschatten der USA zur dominierenden Macht in Südamerika heranwachsen zu lassen. Die Nähe zu den USA ist aber auf mehr als nur strategische Überlegungen zurückzuführen. Ideologie spielt eine mindest ebenso große Rolle. Die brasilianische Rechte scheint noch immer in gewisser Weise im falschen Dilemma zwischen Kommunismus/Sozialismus und Kapitalismus gefangen zu sein, wie es während des Kalten Krieges gepredigt wurde.
Auf der einen Seite unterscheidet Bolsonaro in seiner Rhetorik gegen den Sozialismus nicht zwischen linkem und rechtem Sozialismus, und seine geplante liberale Wirtschaftspolitik deutet darauf hin, dass ein rechter Sozialismus auch nicht sein Ziel ist. Dass er und die brasilianische Rechte sich also an die USA, als den kapitalistischen Staat schlechthin, anlehnen, ist naheliegend. Ob Bolsonaro also ein „Freund“ der sozialistisch veranlagten europäischen Rechten ist, wie man es auf den ersten Blick vielleicht vermuten mag, ist daher noch offen.
Andererseits hat man jedoch erkannt, dass der Kampf zwischen „Links“ und „Rechts“ vor allem ein kultureller ist und begonnen eine Reform des Bildungssystems zu planen, um dieses vom Einfluss des Kulturmarxismus zu befreien. In dieser Hinsicht ist Bolsonaro also seinem großem Vorbild Trump schon um einiges voraus, der sich im Kulturkampf bis jetzt sehr zurückgehalten hat. Es bleibt also spannend, wohin in Brasilien die Reise geht.