Deutsche Landwirte lehnen die Bauernmilliarde ab

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Die Bundesregierung hat beschlossen, die Bauern in den nächsten vier Jahren mit einer Milliarde Euro zu unterstützen. Mit dem Geld soll den Bauern dabei geholfen werden, den Wandel hin zu einer umweltschonenderen Landwirtschaft zu vollziehen.

Die Entscheidung war gefallen, da Überschüsse von rund 13 Milliarden Euro vorhanden waren, die verteilt werden sollten, und so bekamen auch die deutschen Bauern ein Almosen, denn um nichts anderes handelt es sich. Ein Almosen, um die seit Wochen demonstrierenden Bauern zu beruhigen, doch die haben das Spiel durchschaut und reagierten mancherorts sogar mit Spontandemonstrationen auf die Ankündigung. Man wolle das Geld nicht, sagen viele, das völlig zurecht als „Schweigegeld“ bezeichnet wird, denn es geht ihnen bei den Protesten schon lange nicht mehr um Geld allein, wenn es denn jemals wirklich nur um Geld ging. Die finanziellen Probleme in der Landwirtschaft sind bestenfalls die Spitze des Eisberges.

Anerkennung ist das, um was es vielen Bauern geht, die sich seit Jahrzehnten zum Buhmann gemacht fühlen, wann immer es um Umweltschutz und Tierwohl geht. Massentierhaltung, exzessive Dünnung und Pestizideinsatz sind aber keine Mittel, mit denen sich die Landwirte die Taschen füllen, sondern die Notwendigkeiten, die ihnen ein völlig krankes System aufgezwungen hat. Darauf wollen sie hinweisen, dass die Agrarwirtschaft in der BRD völlig an die Wand gefahren ist und auch ein paar Millionen daran nichts ändern werden. Die neue Düngemittelverordnung war nur das, was das Fass zum Überlaufen brachte, doch die Probleme bestehen an sich schon lange und sind grundsätzlicher Natur.

 

Das große Ganze

 

 

Im Zusammenhang mit den Bauerndemos spricht die Presse gerne von einer Agrarlobby und dass es Großlandwirte seien, die mit der „Land schafft Verbindung“ Bewegung diese Demos steuern würden. Doch im Gegensatz zum Bauernverband, der in der Vergangenheit, als es beispielsweise um den Wegfall der Milchquote ging, noch den Wettbewerb, der allen Wohlstand bringen würde, lobpreiste, ist diese neue Lobby zumindest in der Lage, wirklich die Wut auf die Straße zu tragen. Hier überhaupt von einer Lobby zu sprechen scheint zudem mehr ein Ablenkungsmanöver zu sein, mit dem der Protest delegitimiert werden soll. Es soll der Eindruck entstehen, hier würden anzugtragende Halbkriminelle schattenhaft Einfluss auf die Politik ausüben wollen.

Dass die Bauern wie jede andere Gruppe, seien es Arbeiter, Arbeitnehmer oder Rentner, auch ein Recht darauf haben, sich zu organisieren, um gemeinsam für ihre geteilten Interessen zu kämpfen, lässt man geflissentlich unter den Tisch fallen. Und wenn man schon bei Lobbys ist: Ebenfalls völlig unerwähnt bleiben bei der ganzen Diskussion die Lobbys der Discounter und des Großhandels. Niemand erwähnt, dass diese es sind, die die Preise bestimmen, zu denen Landwirte produzieren müssen. Sie waren es, die mit ihrem Preiskampf um jeden Cent die Lebensmittelpreise so weit heruntergetrieben haben, dass eine Industrialisierung der Landwirtschaft notwendig wurde, da allein über die Masse die kaum vorhandenen Gewinnmargen der Landwirte zum Leben reichen.

Dies ist es, was viele Landwirte wirklich auf die Straße treibt: Der Stellenwert den die „Geiz ist geil“ Gesellschaft Lebensmitteln zuschreibt. Zuletzt zog Edeka zu seinem 100-jährigen Bestehen mit dem Slogan „Essen verdient den niedrigsten Preis“ den Zorn der Bauern auf sich, was diese zu einer mehrstündigen Blockade des Edeka-Zentrallagers in Neuenkruge veranlasste. Bio soll das Essen sein, keine Massentierhaltung, keine Gentechnik, wenig Spritzmittel und Dünger, aber kosten soll es bitte nichts.

Subventionen für die Großindustrie

In den sozialen Medien erhielten die Bauern viel Unterstützung für ihre Aktion bei Edeka, doch andere wiesen darauf hin, dass viele Niedriglöhner, Rentner und Sozialhilfeempfänger auf Discounter angewiesen seien, da nur so das Geld zum Leben reiche. Auch das ist genau so richtig wie die Wut der Bauern, für ihre Arbeit nicht angemessen entlohnt zu werden, doch der Konflikt liegt trotzdem nicht zwischen Verbrauchern und Bauern.

Die Gewinnmargen, die in der Landwirtschaft noch existieren, existieren nur dank massiver Fördergelder staatlicher Stellen. Gäbe es diese nicht, würden die allermeisten Landwirte draufzahlen und könnten gar nicht so billig produzieren. Lebensmittel sind also nur so günstig, weil sie subventioniert werden, doch für diese Subventionen kommt am Ende doch wieder der Steuerzahler auf, sodass über Umwege doch wieder der Verbraucher mehr zahlt. Er merkt es eben nur nicht.

Freuen über dieses Spiel können sich am Ende nur der Handel und die Lebensmittelindustrie, die mit falschen Billigpreisen werben, die nur möglich sind, weil die wahren Kosten auf die Gemeinschaft umgelegt werden, während sie die Gewinne einkassieren. Nicht umsonst gehören beispielsweise die Aldi Erben und der Eigentümer der Lidl/Kaufland Gruppe zu den reichsten Deutschen.

Es steht außer Frage, dass ökologische Landwirtschaft teurer ist, als industrielle Massenproduktion, und dass diese Kosten am Ende den Verbraucher treffen. Nicht alle werden sich dies vielleicht leisten können und Lebensmittel zu subventionieren ist daher nicht grundlegend falsch, doch müssen diese eben die treffen, die sie wirklich nötig haben. Milliardenschwere Unternehmen sind dies ganz sicher nicht.

 

 

Deutsche Bauern radikalisieren sich

Dass man das in Berlin anders sieht, sagt viel über die Prioritäten dieses Staates und, langsam aber sicher, scheint auch den Landwirten klar zu werden, dass sich von ein bisschen Meckern und bösen Leserbriefen nichts ändern wird. Dass man sich mit der „Land schafft Verbindung“ eine Bewegung abseits der etablierten Organisationen schuf, zeigt schon, wie sehr das Vertrauen in die alten Strukturen erodiert ist.
Andere gehen noch weiter und suchen radikalere Formen des Protestes.

Da die Traktorendemos auf öffentlichen Straßen scheinbar ihre Wirkung verfehlt haben, fuhren in den Landkreisen Wolfenbüttel, Cuxhaven und im Wendland Bauern vor die Privathäuser einiger Politiker auf. Diese waren alles andere als erfreut über die Aktion und sahen darin einen „Einschüchterungsversuch“. Schon im November letzten Jahres besuchten Bauern einen Redakteur der „Braunschweiger Zeitung“ vor seinem Privathaus mit einer gefüllten Mistkarre, um ihn für seinen Qualitätsjournalismus auszuzeichnen.

Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die ersten „Lügenpresse“ Rufe auf Bauerndemos zu hören sind und wie es von da an weitergeht, kann man sich denken. Wer einmal die tendenziöse Berichterstattung der Presse durchschaut hat und erkennen musste, wie wenig legitime Bürgerproteste in dieser angeblichen Demokratie bezwecken, der wird sich früher oder später auch die Systemfrage stellen müssen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich die deutschen Bauern gegen Knechtschaft und Tyrannei erheben.

 

1 Kommentar

  • Das soziale Versagen der neoliberalen AfD – also der Parteiführung – ist die Stärke der Linken. Leider verbinden viele im Volk die Linke als ´Partei der sozialen Gerechtigkeit´, z.B. aktuell die Mietendeckelung …
    Wobei die Linke als Interessenvertretung des Volkes nur eine vorgeschobene ist, denn die Linke („Proletarier aller Länder vereinigt Euch. Wir sind ein weltoffenes Land, Grenzen auf für jedermann mit Wohnrecht usw. …“) ist die andere Seite der Medaille Globalisierung.

    WR 09.02.2020
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