In den Niederlanden finden derzeit teils heftige Bauernproteste statt. Die niederländische Regierung hat Maßnahmen beschlossen, die nach Schätzungen aus Regierungskreisen bis zu 30 Prozent aller Höfe vernichten werden. Der Widerstand der Bauern ist daher auch in seiner Intensität nicht überraschend. In der „rechten Filterblase“ werden die Proteste vorbehaltlos unterstützt und als möglicher Beginn systemkritischer Volksaufstände gedeutet. Über die Hintergründe dieser scheinbar wahnwitzigen Regierungsmaßnahmen wird jedoch nicht gesprochen. Liberale und Rechtspopulisten analysieren das kapitalistische System bewusst oder unbewusst falsch und bieten daher keine Lösungen an. Die Bauernaufstände sind durchaus Vorboten des Scheiterns des Kapitalismus, doch die Alternative besteht keineswegs im ungezügelten Markt.
Massentierhaltung und Umweltzerstörung: Real existierender Kapitalismus
Die Niederlande sind bekannt für ihre Agrarindustrie. Das westeuropäische Land produziert Fleisch und Milch für ganz Europa. Etwa 65 Prozent des Fleisches und der Milchprodukte werden für den Export gefertigt. Was in Deutschland mit der Autoindustrie passiert, spielt sich in den Niederlanden offenbar mit der Agrarwirtschaft ab. Ohne Rücksicht auf Verluste arbeitet eine links-grüne Regierung an der Vernichtung eines wichtigen Wirtschaftszweiges. Während in Deutschland jedoch kaum Protest gegen ökonomisch-irrationale Maßnahmen existiert, sorgen niederländische Bauern für gehörigen Widerstand.
Kein Wunder: Ihre Existenz steht auf dem Spiel, sie fürchten um ihre Höfe. Infrastrukturelle Knotenpunkte werden blockiert, Traktor-Kolonnen ziehen durch das Land, Barrikaden brennen. Bei einer Demonstration kam es sogar zu Schüssen vonseiten der Ordnungsmacht auf einen Traktorfahrer. Proteste, die insbesondere im rechtspopulistischen Lager frenetisch gefeiert werden. Auch hierzulande kommt es zu Solidaritätsaktionen, beispielsweise am Rande von Autobahnen. Der Bauernverband hat sich auf die Seite ihrer holländischen Kollegen geschlagen.
Doch die Maßnahmen der niederländischen Regierung haben Gründe und wurden keineswegs allein aus reiner Boshaftigkeit beschlossen. Die kapitalistische Konsumgesellschaft hat mittlerweile schwere ökologische Schäden angerichtet. Die industrielle Landwirtschaft ist nur unter massivem Einsatz von Chemikalien aufrechtzuerhalten. Neben den mehr als fragwürdigen Bedingungen der Massentierhaltung werden Böden massiv überdüngt und ausgebeutet. Dies geht einher mit einem deutlichen höheren Wasserverbrauch und einer spürbaren Verringerung der Artenvielfalt. In manchen Regionen ist ein Artenverlust von 70 Prozent registriert worden. Bislang fuhren die Herrschenden eine klassische neoliberale Laissez-Faire-Politik, doch nun müssen sie die Reißleine ziehen.
Es wird sich zeigen, ob sich der organisierte Widerstand der Bauern auszahlen wird oder ob die Regierungspläne letztlich umgesetzt werden. Doch leider richtet sich die Wut der Bauern nicht gegen die wahren Verursacher der Krise, gegen die Agrarkapitalisten!
Für eine nationalrevolutionäre Wende!
Das Bild, das in den Köpfen vom alten Bauernstand existiert, ist leider heute kaum noch zutreffend. Wer sich heute als Bauer durchsetzen will, muss nach den Regeln des Marktes spielen. Das Höfesterben wird nicht jetzt von der Politik beschlossen, sondern ist bereits jahrzehntelang bittere Realität des Kapitalismus. Gerade jene, die sich als Verteidiger des Bauernstandes inszenieren, sind dessen wahre Totengräber. Wer überleben will, muss wachsen. Er muss möglichst große Viehbestände und Ackerflächen haben. Er ist gezwungen, Saatgut und Düngemittel der Chemieindustrie zu kaufen und teures Gerät anzuschaffen.
Die klassischen Familienbetriebe bleiben dabei auf der Strecke. In den letzten zehn bis zwanzig Jahren wurde die Hälfte der niederländischen Bauern aus dem Geschäft gedrängt. Ihre Äcker übernahmen Großbauern und Investoren zum günstigen Preis. Viele Bauern mussten aufgeben, die Zahl der Menschen, die in der Landwirtschaft beschäftigt sind, ist drastisch gesunken. Es wäre angeblich wirtschaftlich nicht rentabel, arbeitsintensive, aber nachhaltigere Bewirtschaftungsmethoden anzuwenden. Deswegen gehen die Prognosen in Holland beispielsweise nicht von einem großen Verlust an Arbeitsplätzen aus. Der erwartete Rückgang soll zwischen 0,14 und 0,21 Prozent liegen.
Milliardenschwere Subventionen sind verdampft und haben letztlich nicht zu einer Umstrukturierung in der Landwirtschaft geführt. Bio-Bauern sind weiterhin eine Ausnahme. Das Geschäft blühte vor allem aufgrund von Globalisierung und Freihandelsabkommen. Für die Versorgung des eigenen Volkes arbeiten die Großbauern längst nicht mehr. Tatsächlich möchte die Regierung nun mit den neuen Schadstoffemissionsregelungen die Wende in der Landwirtschaft erzwingen.
Doch der Erfolg ist fraglich. Wird die Lebensmittelindustrie schlicht abwandern? Kann eine ökologische Landwirtschaft mit den ökonomischen Erfordernissen im Kapitalismus im großen Stil umgesetzt werden? Gerade weil die Niederlande für den internationalen Markt produzieren, steht Konkurrenzfähigkeit, was praktisch möglichst niedrige Produktionskosten bedeutet, über allem. Kann sich die Landwirtschaft innerhalb des Kapitalismus dieser Logik entziehen? Es ist auffallend, dass es keine befriedigenden Antworten der Regierung auf diese Fragen gibt.
Vor unseren Augen spielen sich die ersten Zerwürfnisse innerhalb des Systems ab. Die Herrschenden versuchen Wachstumszwänge, Globalisierung und Marktfreiheit mit ökologischer Nachhaltigkeit zu vereinen. Es funktioniert nicht. Das System stößt an seine Grenzen. Was passiert, wenn der finale Punkt erreicht ist, sich die jahrzehntelange Produktion für den Überfluss rächt? Wenn, global betrachtet, wachsender Wohlstand und wachsende Bevölkerung ökologisch nicht mehr tragbar sind? Auch die Proteste in Sri Lanka können vor diesem Hintergrund gesehen werden.
Der Markt versagt hier. Es ist offensichtlich, dass es einen fundamentalen Systemwechsel braucht. Dass die Alternative zum Kapitalismus aus ökologischer Sicht nicht der Kommunismus ist, wissen insbesondere Ex-DDR-Bürger noch zu gut. Es braucht ein System, in dem Wachstum nicht Gesetz ist. Stattdessen braucht es eine nachhaltige Wirtschaftsform, die dem traditionellen Bild einer auf nationaler Selbstversorgung basierenden Landwirtschaft nahekommt. Im Deutschen Sozialismus sollen internationale Finanzagglomerationen zerschlagen werden. Stattdessen werden kleine Bauernhöfe protegiert. Schlüsselindustrien werden verstaatlicht und somit dem ewigen Spiel des Geldes entzogen. Wichtig ist, dass Volkswirtschaft tatsächlich raumgebunden gedacht wird. Es geht nicht primär um Export, sondern um die Versorgung des eigenen Volkes. Ökonomie im Deutschen Sozialismus muss nachhaltig sein und darf nicht einer rein monetären Rationalität unterliegen.
Der Protest der Bauern ist durchaus berechtigt, nur sind seine Unterstützer in Gestalt der liberalen Agrarlobbyisten die Falschen. Ein „Weiter so“ kann und darf es nicht geben, doch innerhalb des kapitalistischen Systems wird es keinen Platz für nachhaltige Landwirtschaft geben. Daher – Bauernstand herein in die nationalrevolutionäre Bewegung!
Weiterführende ARTE-Dokumentation: Wie Chemieriesen unser Ökosystem zerstören
Den Artikel habe ich auf der Autobahn entdeckt und mir für „zu Hause aufgehoben“ und ich muss sagen ich bin nicht enttäuscht worden …….. hochinteressant das mit der Überdüngung und dem Artensterben ……von dieser Seite habe ich es noch nie betrachtet.
Das war für mich auch der Grund, weshalb ich mich nie den Protesten meiner Kollegen angeschlossen habe. Systemkritik statt Maßnahmenkritik. Jahrzehnte lang sind sie mit den selben Leuten auf die Straße gegangen welche für ihren Niedergang verantwortlich waren.
Starker und wichtiger Artikel.
Alles, was diesem System schadet, ist zwar erst einmal gut – so auch dieser Protest – dennoch ist das Grundsätzliche hier wunderbar beschrieben. Eine rein gewinnorientierte Landwirtschaft führt zu immer höherer Preiseffizienz. Das allerdings auf Kosten von Mensch, Tier um Umwelt. Es gibt eine Wahrheit, die viele nicht hören wollen: Es gibt Bereiche, in denen der freie Markt nichts zu suchen hat.
Sehr interessant.dieser Blickwinkel ist viel zu wenig berücksichtigt worden,