Vorweg: Ich lese nur selten Romane. In den meisten Fällen empfinde ich sie als – mehr oder weniger – kurzweilige Zeitverschwendung. In seltenen Fällen schafft es ein Werk der Belletristik jedoch, Wesentliches klarer zu vermitteln, als es ein Sachbuch je könnte. „Fackeln in deutscher Nacht“ ist ein solcher Fall.
Dieses Wesentliche umfasst nur drei Zeichen: § 3g.
Gemeint ist damit der Paragraf 3g, der sogenannten „Auffangtatbestand“ des Verbotsgesetzes 1947. Während die Paragrafen von 3a bis 3d – verhältnismäßig spezifisch – die Gründung einer nationalsozialistischen Organisation, ihre Unterstützung oder Verherrlichung unter Strafe stellen; übernimmt Paragraf 3g die Aufgabe eines Gummiparagrafen.
Jeder, der sich „im nationalsozialistischen Sinn betätigt“, macht sich dabei strafbar. Und wandert deshalb „ein bis zu zehn Jahren, bei besonderer Gefährlichkeit des Täters oder der Betätigung bis zu 20 Jahren“ ins Gefängnis. Der Strafrahmen eines Mordes.
Jede „nationalsozialistische Regung“ soll dabei im Keim erstickt werden. Nur, wo beginnt dieser Keim? In Österreich bereits mit der Bekenntnis zur eigenen Herkunft, der Kritik am System, an Migration und Kapitalismus.
Was für den jungen, bundesdeutschen Aktivisten, ohne großen Bezug zur Alpenrepublik, unfassbar wirkt, ist für seine Kameraden in Österreich ein permanentes Damoklesschwert. Politischer Aktivismus: ein Minenfeld. Gerade in einer Zeit, in der auch Querdenker, Impfgegner, Naturschützer, Überwachungsgegner, Tierrechtler oder Antikapitalisten mit der Nazikeule in den „Rahmen des Sagbaren“ zurückgeprügelt werden sollen, verkommt der Vorwurf der „Wiederbetätigung“ so zum Blankoscheck für den Repressionsapparat.
Wie also handeln Männer, eingezwängt zwischen der Pflicht des Gewissens und dem willkürlichen Terror des Systems? Im Untergrund. Als Katakomben-Nationalisten, als Bewahrer des verbotenen Gedankens.
„Fackeln in deutscher Nacht“ schafft es wunderbar, die Lebensrealität Wiener Aktivisten in Worte zu kleiden. Authentisch und greifbar. Gerade wenn sie auf Aktivisten aus der BRD treffen und man wechselseitig – interessiert und kritisch – den Kurs der jeweils anderen zu verstehen versucht.
Wer wissen will, wie Nationalisten in Wien – geworfen zwischen Nihilismus, Treue und 3g – agieren, denken und fühlen, kommt um dieses Buch nicht herum.
Das Buch kann man über unseren Materialvertrieb beziehen.