Zeitzeugenvortrag in Hilchenbach (+Video)

Zeitzeugen, die den Zweiten Weltkrieg noch miterlebt haben, findet man heutzutage nur noch selten. Leider sind die meisten bereits verstorben oder in einem so hohen Alter, dass sie für größere Vorträge nicht mehr zur Verfügung stehen. Umso schöner ist es, wenn man doch jemanden findet, der bereit ist, das zu tun. Eine dieser letzten Gelegenheiten, von den damaligen Erlebnissen aus erster Hand zu erfahren, bot sich am 6. Juli in unseren Räumlichkeiten in Hilchenbach. Dort trafen sich um die 50 Interessenten, um den Worten eines 97-jährigen Mannes aus Köln zu lauschen.


Hitlerjugend und Luftschutzhelfer

1926 geboren, erlebte er bereits in frühen Jahren die Bombenangriffe auf Köln, bei denen er einer Löschmannschaft zugeteilt war. Er beschreibt sehr lebendig, was er damals erlebte. Wie man Bewohner, die durch Flammen eingeschlossen waren, mit Sprungtüchern rettete oder auch Verschüttete ausgrub. Auch grausige Anblicke wie die toter Kinder verschwieg er nicht. „Da habe ich das erste Mal geweint“, sagt er. Doch auch die guten Momente hat er nicht vergessen. Seine Zeit in der Hitlerjugend, bei der er sich der Segelgruppe anschloss, hat er positiv in Erinnerung. Besonders die gelebte Kameradschaft empfand er als einmalig. „Selbst Freunde lassen einen im Stich“, spricht er zu den Zuhörern, „aber Kameraden sind immer für dich da, wenn du sie brauchst.“ Auf den Reichsparteitagen in Nürnberg konnte er auch den Reden Adolf Hitlers lauschen und er beschrieb es als beeindruckend, wie diszipliniert die Masse an Menschen dort war und wie sich Hitler ohne viel Begleitschutz durch diese bewegen konnte.
Während seiner erwähnten Aufgabe als Luftschutzhelfer bemerkte er, dass die Bombenangriffe der Alliierten immer häufiger wurden. Als Jugendlicher entschloss er sich dazu, diesen Terror beenden zu wollen und meldete sich deshalb freiwillig zur Wehrmacht.


Kriegseinsatz auf einem U-Boot und als Infanterist

Er wurde, da es ihn immer schon zur See zog, als Teil einer U-Bootbesatzung ausgebildet und fuhr auch auf einem U-Boot Typ 21 in den Einsatz in die Nordsee. Er beschreibt dabei, wie das Leben auf dem modernen Boot ablief und wie seine Aufgabe aussah. Er war Maschinengefreiter und hatte dafür Sorge zu tragen, dass mit den Batterien des Bootes alles in Ordnung war. Doch schon bald ging es wieder an Land und man musste seine Marinekleidung gegen das Feldgrau der Infanterie tauschen. „Wir waren schon etwas enttäuscht darüber“, meint er, denn man war ja leidenschaftlich der Marine beigetreten und stolz auf seine blaue Uniform. Doch was nützt es?! Sein Pflichtgefühl trieb ihn auch bei dem nun folgenden Infanterieeinsatz gegen die Amerikaner an. Das Kriegsende war jedoch bereits nah und da man kaum über Panzerabwehrwaffen verfügte, musste man sich dem Feind schließlich ergeben.

 


In amerikanischer Kriegsgefangenschaft

Nun begann seine Zeit in der Gefangenschaft. Er und seine Kameraden kamen in ein den Rheinwiesenlagern ähnliches Gefangenenlager. Schmuck und Nahrung wurde ihnen von den Amerikanern abgenommen und fortan wurde man auch häufig schikaniert. Bei regnerischem Wetter mussten die Gefangenen ihre Zeit unter freiem Himmel auf einer mit Stacheldraht umzäunten Wiese verbringen. Als man später unter ihnen nach Arbeitskräften suchte, meldete er sich, um dem Elend zu entgehen, und wurde auch mit einigen anderen ausgewählt. Auf der Pritsche eines Lkw sollten sie zu ihrer Arbeitsstelle gefahren werden. Als sie dabei nahe seines Elternhauses vorbeikamen, nutzte er eine günstige Gelegenheit, ergriff die Flucht und entkam den unachtsamen „Amis“.


Die Zeit nach dem Krieg

Nach dem Krieg war das Leid für das deutsche Volk noch lange nicht vorüber. Deutschland war besetzt, in großen Teilen zerstört und es herrschte Hunger. Der Zeitzeuge erzählt, wie er sich auch durch diese schwere Zeit durchschlug. Seine Mutter wurde während des Krieges in den Osten des Reiches evakuiert und sein Vater war ebenfalls Soldat. Glücklicherweise kamen sie aber beide wohlbehalten zurück. Während dieser Zeit blühte der Schwarzmarkt auf und es gab allerhand Tauschgeschäfte. Er beschreibt mit einem Lächeln im Gesicht, wie er sich im Winter trotz Ausgangssperre hinaus schlich, um Feuerholz zu holen oder wie er beim Bauern etwas zu essen stahl, ohne von dessen Hund zerfleischt zu werden. Als ihm ein Anwesender erzählte, dass man uns heutzutage weismachen will, die Gastarbeiter hätten Deutschland wiederaufgebaut, konnte er nur lachen und brach stattdessen eine Lanze für die Trümmerfrauen, die viele Arbeiten der Männer übernehmen mussten, weil diese gefallen oder in Gefangenschaft waren. Insgesamt habe er die Zeit gut überstanden. Das Volk war trotz der schwierigen Lage zuversichtlich gewesen, meint er.


Abschluss

Nachdem man gemeinsam ein paar Lieder gesungen hat, gab es noch eine Runde, in der die Anwesenden persönliche Fragen an den Zeitzeugen stellen konnten. Eine Frage lautete zum Beispiel, ob er denn Angst gehabt hätte damals. Er verneint das, denn man war ja zur Härte erzogen worden und man hatte seine Kameraden, mit denen man sich sicher fühlte. Anschließend konnte jeder nach vorne gehen und sich ein Bild mit Unterschrift abholen. Auch für gemeinsame Fotos stand der Zeitzeuge zur Verfügung. Zum Schluss konnten sich alle Teilnehmer noch bei selbst gemachter Erbsensuppe aus der Gulaschkanonne und Getränken die Worte des Mannes durch den Kopf gehen lassen.


Ein Vorbild für unsere Generation

Auch wenn er manche Strapazen erwähnt, so ist es nie ein Beschweren darüber, sondern es gehörte einfach dazu. Er nahm sich den Problemen an und freute sich auch über kleine Dinge, die wir heute für selbstverständlich halten. Diese Lebenseinstellung wird nicht zuletzt dazu beigetragen haben, so ein stolzes Alter erreicht zu haben. Mit 97 Jahren stand er stundenlang vor der Menge und konnte sich kaum bremsen, so viel hatte er den jungen wie alten Menschen vor sich zu erzählen. So ist er für viele Leute an diesem Abend ein Vorbild geworden.

1 Kommentar

  • Ich möchte dem Herrn zu seinem Mut gratulieren. In der BRD unautorisierte Geschichten über die Vergangenheit zu erzählen, ist alles andere als ungefährlich.

    RW 23.07.2024
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