Der Streit um die Berliner Volksbühne (wir berichteten) beschäftigt inzwischen auch die Bundespolitik. Kulturministerin Monika Grütters (CDU) hat eine offizielle Erklärung abgegeben: „Das Land Berlin sollte sich sehr genau überlegen, ob es Doppelstrukturen zu kulturellen Angeboten schafft, die der Bund in der Stadt schon finanziert. Außerhalb von Berlin könnte dann die berechtigte Frage entstehen, ob das hohe Engagement des Bundes noch vertretbar sei?“ Im Klartext heißt das: Wenn die Volksbühne zum Eventschuppen wird, zahlt der Bund nicht mehr.
Es geht offenbar ums Ganze. Was bedeutet Kultur, und wofür werden die Steuergelder ausgegeben? Die Berliner Volksbühne und ihr künftiger Leiter bekommen einen Symbolwert. Als symptomatisch im üblen Sinne schildert der betagte Theaterregisseur Claus Peymann die Situation in einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister und Kultursenator Michael Müller. Da finden sich drastische Formulierungen. So bezeichnet Peymann die Kulturelite als „aussterbende Gattung“, die „abgewirtschaftet“ hat. „Wir erleben gerade das Waterloo des europäischen Theaters, und das Hauptschlachtfeld ist leider Deutschland!“
Der Kulturstaatssekretär Tim Renner verkörpert den Typus des „Nichtkenners, Nichtkönners, Nichtwissers“, der „vollständig auf Reizhunger und Sensationslust getrimmt“ ist. So sieht der Kulturmanager heute aus. Statt des deutschen Ensembletheaters soll „ein internationales, völlig austauschbares Gastspiel das andere ablösen“. Dann beschwört Peymann die „Arbeiterschaft dieser Stadt“ als Publikum. Zu Schicki-Micki-Aufführungen kommen sie sicher nicht, wenn Arbeiter und Angestellte überhaupt noch ins Theater gehen.
Der Regisseur zieht einen Vergleich: „Es ist immer von der Zerstörung unserer Umwelt die Rede. Ich sage, unser kulturelles Erbe gehört auch zu unserer Umwelt. Die Kulturpolitik gibt sich vernetzt und global, aber keiner übernimmt die Verantwortung.“ Dann bekennt der frühere Modernist: „Das Theater stand immer im Dienst der Literatur, der Botschaft. Das ist kein konservativer Standpunkt, sondern der zukunftsgerichtete Standpunkt.“