In Berlin wird derzeit wieder ein Stück Hochkultur zum „Event-Schuppen“ gemacht. Die Volksbühne im Ostteil der Stadt gilt seit 25 Jahren als das meistbeachtete Theater in Deutschland. Von einem festen Ensemble wurden dort regelmäßig klassische Stücke aufgeführt. Allerdings mutet der Regisseur Frank Castorf dem Publikum Verfremdungen und Provokationen zu, die über das an zeitgenössischen Bühnen Übliche noch hinausgehen. Gerade deshalb sammelte er auch enthusiastische Anhänger um sich. Und das Theater war gut besucht.
Nun läuft Castorfs Vertrag aus, und als Nachfolger ab 2017 ist ein Mann vorgesehen, der bisher noch nie ein Theater geleitet und nie ein Stück inszeniert hat. Es ist Chris Dercon, Chef der Tate-Gemäldegalerie in London. Hinter dem Wechsel steht eine neue, ganz an den Erfordernissen des Marktes und der Sponsoren orientierte Auffassung von Kunst. Da gibt es keine traditionellen Kultureinrichtungen mehr, sondern alles wird zu einem Spektakel mit viel Technik und internationaler Besetzung. Die Schaubühne als Mittel zur Erziehung und politischen Einsicht, wie bei Friedrich Schiller, ist nicht mehr erwünscht. Das Votum für „Brot und Spiele“ könnte nicht deutlicher sein.
Besonders Claus Peymann, Leiter des „Berliner Ensemble“ am Schiffbauerdamm, zeigt seinen Ärger über die Entscheidung des (neuen) Oberbürgermeisters und Kultursenators Michael Müller. „Die Kulturpolitik gibt sich global-universal und ist doch nur tief provinziell“, sagt Peymann. Daß die angebliche Globalität oft nur Einfallslosigkeit ist, wird den Kulturoberen allmählich klar. Doch Peymann wie Castorf oder sein Kronprinz Schlingensief sind an dieser Entwicklung keineswegs unschuldig. Sie haben sich zwar noch um die Klassiker bemüht, aber immer nur „kritisch und subversiv“. So blieb von der Botschaft nichts mehr übrig und noch weniger von den formalen Leistungen der Dichter. Als Resultat will man jetzt auf das ganze Theater verzichten und nur noch Show liefern. Recht geschehen – wenn nur das Publikum nicht darunter leiden müßte.