Volk, Land, Eros – Teil 2: Land und Herrschaft 1/3

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National Revolutionär Sozialistisch Völkische Identität als Symbiose zwischen Leben und Raum

„Volk“ und „Land“ als den zwei Größen, die der vaterländische Liebesbegriff umschließt, kommt vor allem rechtshistorisch eine besondere Bedeutung zu. Das „Land“ als Bezugsrahmen von Herrschaft lenkt die Aufmerksamkeit auf den identitätsbildenden Faktor der territorialen, regionalen, landschaftlichen Einheiten, die in ihrer Summe deutsche Geschichte nachhaltig geprägt haben.

 

Die „teutschen lande“ als Bezugsrahmen von Herrschaft

Wurde von Deutschland bis in das frühe 16. Jahrhundert hinein zumeist als von den teutschen landen – einer Übersetzung des lateinischen Namens Germania -, gesprochen, so manifestierten sich hierin vor allem die vielfältigen regionalen Traditionen des Reiches. Erst im Zuge der Dominanz des Fürstenstaates, der die regionalen Sonderrechte zu absorbieren trachtete, wurde aus den teutschen landen „Deutschland“.1 Doch ist „Land“ mehr als nur die Summe der Territorien eines Raumes: „Das deutsche Land wurde als Verband landbeherrschender und landbebauender Leute verstanden, in denen die konkrete Ordnung des Landrechtes gilt, das Landrecht, das mehr als eine Summe positiver Ordnungen ist, vielmehr gegründet bleibt in einer über den Menschen, die es verpflichtet, stehenden religiösen Ordnung, mit der ‚Gerechtigkeit’ identisch.“2

Somit ist das „Land“ vom Territorium als dem Gebiet der Landeshoheit deutlich unterschieden. Erscheinen einheitliche Landesgemeinde und Landrecht als prägende Wesensmerkmale des „Landes“, so konnte, musste das „Land“ aber nicht, mit dem Territorium identisch sein. Es ist im Kern durch drei Charakteristika bestimmt gewesen: Als Herrschaftsgebiet eines Landes-Herrn war es dominium, als Land-Rechtsbezirk provincia oder terra, und
als Land-Rechts- und Friedensgemeinschaft diente es den conprovinciales.3 Demnach begegnet das „Land“ stets als eigener Verfassungsbegriff: „Die alte deutsche Bezeichnung des Staates ist ‚Land’. Im Gegensatz zu Reich ist es in sich geschlossen, einheitlich, keine Vielfalt verschiedener Menschengruppen, die ein gemeinsamer Herr eint, sondern eine ursprüngliche Einheit der das Land bewohnenden Menschen selbst. […] Die vollberechtigten Genossen der Landesgemeinde sind die ‚Landsleute’, das ‚Landvolk’ […].“4.

 

Die Einheit von Recht und Gerechtigkeit im mittelalterlichen Rechtsdenken

Die Landrechtsordnungen wurden geformt von Obrigkeiten und deren Organen, jedoch lebten in ihnen Normen weiter, die aus früheren, der Kodifikationen entbehrenden Zeiten herrührten, weshalb Landrecht ursprünglich sippenhaftes Stammes- und Volksrecht gewesen ist.5 Grundlage des mittelalterlichen Rechtsdenkens bildete der religiös fundierte Rechtsbegriff êwa, der seiner Herkunft und Struktur nach germanischen Ursprungs ist und eine konkrete Lebensordnung etablierte, die mit der Gerechtigkeit wie mit der göttlichen Weltordnung als identisch gesetzt wurde6: „‚Die ‚alte und neue ê’, die lex nova et vetus sind das alte und neue Testament und die damit gegebene Ordnung der christlichen Welt’. […] Diese êwa, ê ist die Ewigkeit der göttlichen Ordnung, in der Unerschütterlichkeit und Dauer des Rechts begründet sind. […] Das Christentum bestimmt sie [die germanische Lebensordnung] nicht so sehr inhaltlich, sondern gibt den religiösen Rahmen, in dem sich die überkommene ‚alte’ Ordnung als richtige Ordnung schlechthin begreifen kann.
Ein entscheidendes Kennzeichen des Rechtsdenkens des mittelalterlichen Laien liegt in der Identifizierung des für ihn jeweils gültigen positiven Rechts mit dieser Ordnung, die Gleichsetzung seiner ‚Gerechtigkeit’, seines ‚subjektiven’ Rechtsanspruchs mit der Gerechtigkeit überhaupt. Die Verletzung seines positiven Rechts auch durch den Herrscher ist ihm ein Vorstoß gegen das ‚göttliche Recht’.“7

 

Die „civitas“, ein Verband wehrhafter Männer

Doch ist es nicht die Einheit des Rechts allein, die das Land kennzeichnet. Es fungierte zudem als eine Art virtueller Bewusstseinshorizont, der sich als „Landessitte“ oder später sogar als „Landesbewusstsein“ manifestieren konnte. Die landrechtliche Prägung hat für das Selbstverständnis des mittelalterlichen Menschen eine bedeutende Rolle gespielt, kanalisierte doch die landsit Verhaltensnormen, in denen sich Menschen gemeinsamer Herkunft wiedererkennen konnten.8 Was hier in Erscheinung tritt, ist das Volk bzw. der Stamm als politische Macht, der seinen Frieden nach außen und im Innern zu wahren sucht: „Die civitas, der Stamm, das Land sind ein Verband wehrhafter Männer bäuerlicher oder adeliger Art, die sich selbst im Kampfe Recht zu schaffen wissen. Denn Kampf ist hier jede Verfolgung des Rechts, sei es in der Fehde, sei es im Gericht. Der Rechtsbrecher, der eine Missetat begeht, wird zum ‚Feind’ der Gesamtheit oder des Einzelnen, dessen Recht er verletzt. Wer gegen die Grundgesetze der Gesamtheit verstößt, verliert entweder durch die Tat selbst oder durch feierlichen Beschluß den Frieden und dessen Schutz; er wird friedlos, geächtet […]. Wie der Rechtsbrecher, der ‚Missetäter’ zum Feind der Gesamtheit wird, so ist der Feind im völkerrechtlichen Sinn Brecher des Landfriedens und daher friedlos.“9

 

Das diesem Aufsatz zugrundeliegende und gleichnamige Werk Otto Brunners stellt einen Meilenstein der Mittelalterforschung dar und besitzt eine bis heute nachwirkende wissenschaftliche Strahlkraft.

 

Die Frage, ob das die Sippen überwindende politische Volk im Verfassungssinn schon an den Anfang der Geschichte der Germanen überhaupt gestellt werden sollte oder es sich etwa nur um die bloße Überbauung eines losen Sippengefüges durch eine straffe politische Institution gehandelt hat, ist bereits vielfach diskutiert worden. Gewiss kann in der Völkerschaft, der civitas, wie sie in antiken Berichten überliefert wurde, nicht einfach die Normalform germanischen politischen Daseins gesehen werden, jedoch diese lediglich als Verfallsform zu charakterisieren, wie Heinrich Mitteis dies nahelegte10, erscheint ebenso zweifelhaft. Plausibler ist die Annahme einer vorstaatlichen Gesellschaft der Sippen, die von der Institution des Königtums zusammengefasst wurde und dadurch später zum Staat im weiteren Sinn einer politischen Gemeinschaft geformt werden konnte. Insofern enthielt das politische Grundgefüge des Germanischen bereits eine Art unentwickelte Vorform des Staatlichen, die dem Leben der volksmäßigen Einheiten als politische Gestaltungsform ursprunghaft zugehörig war.11

 

Vom Unterschied zwischen veranstaltlichtem Staat und der „respublica“

Jedoch ist an dieser Stelle explizit auf die Scheidung zwischen dem neuzeitlichen, „anstaltlichen Staat“ als juristischer Person und dem älteren Begriff der respublica, des Gemeinwesens, hinzuweisen. Beim „germanischen Dorf“ handelte es sich primär um eine Nachbarschaftsgenossenschaft und Lebensgemeinschaft, zu dem der erst später entstandene Begriff der „Verwaltung“ geradezu einen Gegensatz bildet. Insofern kann von einer ungebrochenen germanischen Kontinuität direkt keine Rede sein. Allerdings ist die Tatsache kaum bestreitbar, dass alle grundlegenden identitätsbildenden Verfassungsformen des europäischen Mittelalters, soweit sie nicht der kirchlichen Sphäre angehörten, nur aus ihren germanischen Wurzeln verstanden werden können. Es handelt sich demgemäß vor allem um eine Kontinuität der Denkformen, der Gestaltung einer gemeinschaftsbildenden Lebensordnung sowie einer Kontinuität des Landes und seiner Königs- und Grundherrschaft. In diesem Zusammenhang gilt es in erster Linie den geschichtlich besonders wirksam gewordenen Faktor der Treuebindung hervorzuheben: „Treue war im innersten Kern das Verhältnis von Bauern und Grundherrn, Stadtgemeinde und Stadtherrn, Landvolk und Landesherrn, Reichsständen und König. Weil der Gang der deutschen Geschichte zur inneren Zersplitterung führte, ist […] Treue zum unmittelbaren nächsten Herrn oder zur nächsten Gemeinschaft auch eine der stärksten Kräfte des Partikularismus, ja der Reichsfeindschaft geworden.“12 Die starke sittliche Kraft der Treue war jedoch nicht nur ein Faktor der Zerspaltung, sondern trat zudem in direkte Konkurrenz zum dynamischeren Reichsprinzip.

 

Das Verhältnis zwischen Land und Reich

Soll dem komplexen Verhältnis zwischen Heimat- und Vaterlandsliebe nachgespürt und dieses verfassungsgeschichtlich verortet werden, gilt es daher vor allem die unaufhebbare Spannung zwischen den Begriffen „Land“ und „Reich“ in historischer Perspektive weiter zu beleuchten. Dabei lässt sich das Wesen des Reichsprinzips verfassungsrechtlich ohne Bezug auf den mittelalterlichen Landbegriff nicht sinnvoll erörtern: „Das Reich ist eine geschichtsmächtige Kraft, es trägt ein […] offensives Prinzip in sich. Beim Reich und nach seinem Versagen bei der Landesherrschaft liegen politische Initiative und Führung. Land dagegen ist ein kleinräumiges, wesentlich statisches, auf seine eigene Verteidigung bedachtes Gebilde. Es trägt die Tendenz zu einem stillen, abseitigen […] Dasein zähen Beharrens in sich.“13 Zwar erstreckte sich der mittelalterliche Reichsgedanke weit über die teutschen lande hinaus, doch ließ er ihre Vielheit bestehen.

Der König als Abkömmling einer edlen Sippe, in welcher das Königsheil erblich ist, galt als Schützer der Gesamtheit, dessen Herrschaft nur über die Stammeslande zu erfassen war: „Aus einer bloß leitenden Stellung in friedlichen Verhältnissen, in der Dingversammlung steigt der König als […] siegreicher Heerführer zu einem Schützer der Gesamtheit, zum Herrscher im germanischen Sinn empor. Dieses ‚Reich’ vermag sich dann auch über andere Völker zu erstrecken. Doch bleibt der König König seines Volkes […]. Ist er an das gute alte Recht gebunden, so existiert dieses Recht doch nur in Gestalt der verschiedenen Stammes-(Land-)rechte. Der Friede, den der König wirkt, ist nicht allein der besondere Königsfriede, der ihn und seine engere Herrschaftssphäre schützt, nicht Reichsfriede schlechthin, sondern stets Landfrieden.“14 Die Reiche, die zu großräumigeren Gestaltungen strebten, wuchsen über das Volk hinaus, umfassten eine Vielheit von Völkern und Ländern, aber sie wurzelten stets in der landrechtlichen Herrschaft der Könige über das Landvolk. Der Drang in die Weite und die Bindung an den engsten Kreis der Heimat war dem germanisch geprägten Landvolk wesensgemäß zugehörig. So korrelieren die Postulate von Heimat und Vaterland rechtshistorisch mit den Begriffen von „Land“ und „Reich“.

 

Fortsetzung folgt…

 

Zum Nachlesen:

Volk, Land, Eros – Teil 1: „Hass und Hetze“ oder kairologischer Eros? 1/2
Volk, Land, Eros – Teil 1: „Hass und Hetze“ oder kairologischer Eros? 2/2

 

 

1Vgl. Enno Bünz: Das Land als Bezugsrahmen von Herrschaft, Rechtsordnung und Identitätsbildung. Überlegungen zum spätmittelalterlichen Landesbegriff, unter: https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/vuf/article/view/17817 (letzter Zugriff: 28.07.2020), S. 55.

2Otto Brunner: Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter, 5. Aufl., Wien 1965 (unveränderter ND 1981), S. 440.

3Vgl. Bünz, Das Land als Bezugsrahmen von Herrschaft, Rechtsordnung und Identitätsbildung, S. 73.

4Karl Bosl: Staat, Gesellschaft, Wirtschaft im deutschen Mittelalter, in: Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. I, 9. neu bearb. Aufl., Stuttgart 1970, S. 693–835, hier S. 786, zitiert nach: Bünz, Das Land als Bezugsrahmen von Herrschaft, Rechtsordnung und Identitätsbildung, S. 65.

5Vgl. Bünz, Das Land als Bezugsrahmen von Herrschaft, Rechtsordnung und Identitätsbildung, S. 80, zitiert nach: Brunner, Land und Herrschaft (1965), S. 186.

6Vgl. Otto Bunner: Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter, 4. veränd. Aufl., Wien 1959, S. 136f..

7Otto Brunner: Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Südostdeutschlands im Mittelalter, 3. Aufl., Brünn / München / Wien 1943, S. 155.

8Vgl. Bünz, Das Land als Bezugsrahmen von Herrschaft, Rechtsordnung und Identitätsbildung, S. 80f..

9Brunner, Land und Herrschaft (1959), S. 31f..

10Vgl. Heinrich Mitteis: Der Staat des Hohen Mittelalters. Grundlinien einer vergleichenden Verfassungsgeschichte des Lehnszeitalters, 7. unv. Aufl., Weimar 1962, S. 56, Anm. 2. Allerdings betonte auch Mitteis, dass „das Aufsteigen der Karolinger neue germanische Elemente in das fränkische Staatsleben hinein“ gebracht habe; es vollzog sich „ein Prozeß der Regermanisierung, wie wir ihn auch bei anderen Stämmen beobachten konnten. Diese germanischen Elemente sind mit den vorhandenen eine Synthese eingegangen.“ Ebd..

11Vgl. Friedrich Neumann: Das politische Leben der Germanen. Erste Reichstagung der wissenschaftlichen Akademien des NSD.-Dozentenbundes 1939, S. 67.

12Brunner, Land und Herrschaft (1943), S. 525.

13Ebd..

14Ebd., S. 515, 512.

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