Tradition und Brauchtum in Baden-Württemberg (4): Das Säcklestrecken

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Beim sogenannten Säcklestrecken handelt es sich um einen alten Brauch aus dem Mittelalter, der früher zum festen Bestandteil des Jahreslaufes im mittleren Schwarzwald gehörte, heute allerdings nur noch selten ausgeübt wird. Anlässlich der Hausschlachtung, bei der es im Herbst auf den Bauernhöfen dem grunzenden Borstenvieh an den Kragen geht, kommen Jugendliche zusammen, um sich ihren Anteil an dem Fleisch und der Wurst zu sichern. Vom Metzger oder dem Fleischbeschauer erfährt man, wo und wann auf den verschiedenen Höfen geschlachtet wird.

Nach einem anstrengenden Schlachttag, an dem das Fleisch für die kommende Winterzeit gepökelt oder im Rauchapparat konserviert wurde, lassen die Hofleute den Tag in fröhlicher Runde ausklingen. Man ahnt jedoch, dass „ungebetene Gäste“, die Säcklestrecker, den Hof aufsuchen werden.

Ein Leinensäckchen, das einen Schandbrief enthält, wird an einer Bohnenstange befestigt. Der Brief enthält eine humoristische Aufzählung der „Missetaten“ des Bauern bzw. der zum Hof gehörenden Personen und ist gemäß der Tradition in Reimform verfasst. Dem Bauern wird angedroht, die im Schandbrief aufgelisteteten Missetaten zu veröffentlichen.

Im Dunkel der Nacht schleichen die Säcklestrecker auf den Hof und klopfen mit der Bohnenstange gegen die Fenster des Bauernhauses. Die Bohnenstage mit dem Leinensäckchen wird zurückgelassen, die Säcklestrecker verstecken sich auf dem Hof des Bauern. Der Bauer ist nun gehalten, das Leinensäckchen mit Fleisch und Würsten zu füllen und das befüllte Säckchen an den Fundort zurückzustellen.

Der Bauer legt sich gemeinsam mit den Burschen des Hofes auf die Lauer, um die Säcklestrecker beim Versuch, ihre Beute zu holen, zu erwischen. Zumeist entbrennt eine wilde Verfolgungsjagd, wenn die Säcklestrecker versuchen, an ihre Beute zu gelangen. Wird einer der Spitzbuben erwischt, wird dessen Gesicht mit Ruß schwarz gefärbt und der „Übeltäter“ wird gezwungen, mit auf dem Rücken gebundenen Händen Metzelsuppe zu verspeisen. Hierbei handelt es sich um eine Art Wurstbrühe, die bei der Herstellung von Brühwurst entsteht. Hilfe wird dem ertappten Säcklestrecker beim Verspeisen der Metzelsuppe nicht gewährt. Lediglich beim Trinken von Schnaps ist man dem Ertappten behilflich.

Das Säcklestrecken endet in einer Mordsgaudi, bis in die frühen Morgenstunden feiert man mit frohen Reden und lustigen Liedern. Der Brauch offenbart viel Sinn für Humor, steht jedoch ebenso für die Großzügigkeit und die Gutmütigkeit der Bauern.

Weitere Teile unserer Artikelserie über Tradition und Brauchtum in Baden-Württemberg findet ihr hier:

Der Großgartacher Käsritt

Das Stockacher Narrengericht

Der Storchentag in Haslach

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