Tradition und Brauchtum in Baden-Württemberg (5): Der Liebesmaien

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Eine ganz besondere Art des traditionellen Maibaumstellens findet sich im südlichen Schwarzwald und auf der Alb. Hier bekommen junge Frauen ihren eigenen, ganz privaten Maibaum. Verliebte Junggesellen stellen heimlich in der Nacht zum 1. Mai eine kleine geschlagene Birke vor das Fenster ihrer Angebeteten. Üblich ist es auch, das Bäumchen an der Dachrinne, am Schornstein oder im Vorgarten zu platzieren.

Die kleine Birke gilt als Liebesbeweis und wird von den Junggesellen aufwändig mit buntem Krepppapier geschmückt. Oft werden an den Ästen des Bäumchens wahlweise Getränke, Süßigkeiten oder kleine anzügliche Geschenke festgebunden. An manchen der sogenannten Liebesmaien sind darüber hinaus kleine Herzen aus Holz oder Karton befestigt, auf denen der Name des Verehrers der jungen Frau vermerkt ist. Zumeist wird hierauf jedoch verzichtet. Die Aufsteller des Liebesmaien bleiben lieber anonym und hoffen, dass die Angebetete von allein darauf kommt, wer ihr Verehrer ist.

Das Birkenstämmchen sollte gut mit einem Seil oder besser mit einer Kette gesichert werden, denn die Konkurrenz schläft nicht. Gibt es mehrere Verehrer einer beliebten jungen Frau, versuchen sich die Rivalen um die Liebesgunst der Angebeteten gegenseitig auszustechen. Man lässt das Bäumchen des Nebenbuhlers verschwinden und stellt den eigenen Liebesmaien auf.

Die Liebesmaien werden einen Monat lang an ihrem Platz belassen, bevor der liebestolle Junggeselle den Maienstecken abholt. Im Unterschied zum Aufstellen geht der Verliebte bei der Abholung nicht heimlich vor. Im Gegenteil, er erhält sogar eine Belohnung: Zumeist einen Kuss seiner Angebeteten, einen Kasten Bier von deren Vater sowie einen Kuchen von deren Mutter. Oftmals gibt es an Ort und Stelle einen kleinen Umtrunk als Belohnung für den Aufsteller des Liebesmaien. Zur Erinnerung wird ein kleines Stück des Bäumchens abgesägt und aufbewahrt.

Es kann jedoch auch ganz anders laufen: Verschmähte Junggesellen, die von ihrer Angebeteten zuvor einen Korb bekommen haben, stellen aus Rache statt eines Liebesmaien ein Kirschbaumstämmchen, einen schwarz geschmückten Tannenstamm oder einen Reisigbesen vor das Haus. Diese sogenannten „Schandmaien“ sollen die (ehemals) Angebetete bloßstellen.

Der Brauch hat seinen Ursprung im Mittelalter. Seit jeher gilt die Birke als ein Zeichen der Liebe und Lebensfreude, gilt aber auch als Symbol für männliche Stärke. Der Brauch sollte jungen Frauen aufzeigen, dass es jemanden in ihrem Dorf gab, der auf sie wartete. Man erhoffte sich davon, dass die jungen Frauen nicht in die Fremde gehen würden, um einen Ehegatten für sich zu finden. Ehen innerhalb des Dorfes sollten gefördert werden.

Bedauerlicherweise gerät der Brauch zunehmend in Vergessenheit. Während die Liebesmaien bis vor etwa zehn Jahren noch fester Bestandteil des Brauchtums im südlichen Schwarzwald war, wird der Brauch heutzutage nur noch selten gepflegt.

Weitere Teile unserer Artikelserie über Tradition und Brauchtum in Baden-Württemberg findet ihr hier:

Das Säcklestrecken

Der Großgartacher Käsritt

Das Stockacher Narrengericht

Der Storchentag in Haslach

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