Volk, Land, Eros – Teil 3: Das Volk als „individuelles Ganzes“ 3/3
Anthropologischer Unterbau zwingt zur Gemeinschaft als notwendiger sozialer Institution
Auch unter den Bedingungen verfahrensfunktionaler Systeme bleibt der Mensch als institutionenbedürftiges „Mängelwesen“ bestimmt, das seine kategoriale Möglichkeit zur Bildung kollektiver Identitäten anthropologisch keineswegs eingebüßt hat. Da diese Möglichkeit bereits im „natürlichen Volk“ wurzelt, kann dieses nicht als notwendig „unpolitisch“ verstanden werden. Vielmehr sind im rassisch-biologischen Unterbau des Volkes Grundfunktionen und Ablaufqualitäten als Eigenschaften der Wesensart angelegt48, welche Reaktionskonstanten herausbilden, „die aus der Begegnung einer bestimmten angeborenen Struktur mit der Welt sich notwendig ergeben“49 und in denen daher die Entwicklung zum individuellen Ganzen konzeptionell vorweggenommen ist.
Damit ist gemeint, dass die vollendete Gestalt, die in der Keimzelle innerlich angelegt ist, der Materie ihre Bestimmtheiten verleiht und so zur Ausprägung von Wesenheiten ihren Anteil richtungsweisend geltend macht. Die Instinktreduktion des Menschen stellt insofern einen entscheidenden Vorteil dar, als einem Lebewesen, das nicht mehr vollständig in eine spezifische Umwelt eingepasst ist, gleichsam ein großer Handlungsspielraum zur Verfügung steht. Handeln hat in diesem Sinne die Bedeutung einer instrumentell-technischen Umgestaltung der Natur zur Kultur durch Arbeit.50
Aspekte gemeinschaftsbezogener Identität
Im Ergebnis gründet sich Gemeinschaft als notwendige biologisch-soziale Institution auf verschieden ineinander verschränkte substanzielle (1), geistig-metaphysische (2) sowie juristisch-staatspolitische Aspekte (3). (1) Anthropologisch bilden angeborene Instinkte, Fähigkeiten und Grundfunktionen die natürliche Basis für die Entfaltung von blutlich bedingten Antriebsrichtungen. Gemäß diesem Aspekt kann von Substanz- bzw. Abstammungsgemeinschaften gesprochen werden. Insofern die Völker Träger einer spezifischen „Substanzzusammenstellung“ mit gewissen Leitkomponenten sind51, entfaltet sich ein Bewusstsein ihrer historischen Einzigartigkeit, das eine Überweltlichkeit suggeriert und im Sinne einer blutlichen Lebensordnung zum konkreten Lebensgesetz werden kann. (2) Geistig-kulturell beruht die Idee der Gemeinschaft auf der Totalität der inneren geistigen Übereinstimmung der zu ihr gehörenden Menschen.
Der gemeinsame Weltbesitz gründet sich hier vor allem auf der Einheit des Schicksalsraumes (Land und Heimat), in dem die Gemeinschaft lebt, der Einheit des geistigen Gehalts (Sprache, Tradition, Kultur), der in allen Gliedern der Gemeinschaft lebendig ist und der Ausgliederung dieses Gehalts zu einem Lebenszusammenhang von bestimmtem Gefüge (Staat).52 Die Einheit des Schicksalsraumes ist nicht äußerlich, sondern ruht darin, dass in allen ihren Gliedern der geistige Gehalt dieses Schicksalsraumes voll vorhanden ist.53 (3) Gemäß der staatlich-politischen Dimension benötigen größere Gemeinschaften zwingend ein staatliches Gewaltmonopol, welches Ordnung, Sicherheit und Frieden gewährleisten kann. Nationalstaatlichkeit kann in diesem Zusammenhang als das zu politischem Bewusstsein gebrachte, aktionsfähige Volk begriffen werden.
Das Volk als Abstammungs- und Schicksalsgemeinschaft
In der Konsequenz tritt ein Volksbegriff hervor, der nicht nur von einer idealistisch-metaphysischen Auffassung beseelt ist – demnach „Volk“ allein eine geschichtliche, im Werden begriffene Schicksalsgemeinschaft in selbstgeschaffener Umwelt sein kann -, sondern dieses Volksverständnis zugleich „monadologisch“ auf den erblich-biologischen Tatbestand der Abstammungsgemeinschaft zurückgeführt wird. Erst durch das Zusammentreffen beider Gemeinschaften, der umweltbezogenen Schicksalsgemeinschaft und der erbweltlich konstituierten Substanzgemeinschaft54transformiert sich ein Menschentum zu einer höheren Ordnung und wird ein individuelles Ganzes. Einem so sich selbst bewussten Volk ist der Wille zur politischen Autonomie, zur staatlichen Integration inhärent, durch den es seinen Raum in der geschichtlichen Wirklichkeit findet. Indem seine gesellschaftlichen Kräfte sich auch positiv in den Sinnzusammenhang seiner Arbeit, Kultur und Ordnung einzugliedern versuchen, gelangen sie zu ihrer eigentlichen „historischen Existenz“.
48Vgl. Arnold Gehlen: Anlage, Vererbung und Erziehung, in: Internationale Zeitschrift für Erziehung, 10 Jahrgang (1941), S. 1–11, hier S. 1f.. „Wir unterscheiden zunächst Fähigkeiten und Grundfunktionen (oder Ablaufsqualitäten). […] Grundfunktionen oder Ablaufqualitäten sind Eigenschaften der Wesensart; sie sind unveränderliche, vererbliche Konstanten formaler Art, welche die qualitative Färbung des Gesamtverhaltens bestimmen. Dazu gehören etwa: Unterschiede des Tempos […] im psychologischen Gesamtverhalten, solche der vitalen Aktivität oder Lahmheit, der Gefühlserregbarkeit […], der Eindrucksempfänglichkeit, […] der Affekterregbarkeit […], der Willens- und Antriebsstärke, der fließenden und weiten, wandernden Auffassungs- und Erlebnisweisen im Unterschied zu engen, festliegenden usw. […]. Fähigkeiten sind also Begabungen, Musikalität, Formensinn, Farbensinn, abstrakte Denkfähigkeit, mathematische Anlage, Sprachtalent, Phantasie, Gedächtnisbegabung usw..“ Ebd..
49Ebd., S. 4. Gehlen führt hierzu genauer aus: „Es gibt ‚Folgeeigenschaften’, welche aus einem solchen Gefüge sich notwendig herausentwickeln: Gelassenheit, Unerschütterlichkeit, Sprunghaftigkeit, Überlegung […] sind wenige Beispiele solcher Folgeeigenschaften, welche also Reaktionskonstanten sind […].“ Ebd..
50Vgl. Thies, Der Mensch, S. 4.
51Vgl. Schachermeyr, Lebensgesetzlichkeit in der Geschichte, S. 96f..
52Vgl. Freyer, Gemeinschaft und Volk, S. 12.
53Vgl. ebd., S. 9f..
54Vgl. dazu auch Rutkowski, Was ist ein Volk?, S. 121.
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